„Eine zugewandte, freundliche Anlaufstelle“

Gesa Wessolowski-Müller ist die neue Bürgerbeteiligungs-Beauftragte in der Bremischen Senatskanzlei. Was hat sie vor? Mehr Demokratie fragte bei der Sozialdemokratin nach.

MD: Frau Wessolowski-Müller, wieso benötigt Bremen eine Koordinationsstelle für Bürgerbeteiligung? Wieso ist die Koordinationsstelle in der Senatskanzlei angesiedelt?
 

Gesa Wessolowski-Müller: Bürgerbeteiligung nimmt seit Jahrzehnten einen hohen Stellenwert im Bremer Verwaltungshandeln ein. Seit 1946 beraten ehrenamtliche Beiräte über öffentliche Stadtteilangelegenheit und bestimmen diese zunehmend auch mit. Mit Beschluss vom 19.11.2018 hat der Senat Kriterien über das „ob“ und „wann“ von Bürgerbeteiligungsprozessen formuliert. Die Stelle wurde in der Senatskanzlei eingerichtet, weil eine Anlaufstelle in der Regierungszentrale den Zugang und die Transparenz für Bürgerinnen und Bürger erleichtert. Seit November 2021 ist die Stelle besetzt.

Was sind Ihre wichtigsten Aufgaben und Befugnisse? Wie hoch ist Ihr Etat?
Aufgabe der Koordinierungsstelle ist es, Bürgerinnen und Bürgern eine zentrale zugewandte, freundliche Anlaufstelle sicherzustellen. Anliegen sollen nicht im Zuständigkeitswirrwarr von Ressorts hängen bleiben. Die zur Wahrnehmung der Aufgabe benötigten Mittel stehen nach Bedarf zur Verfügung.

Wie wollen Sie auch Menschen erreichen, die sich nicht oder nicht mehr für Politik interessieren, die politischen Prozessen fern stehen?
Bürgerinnen und Bürgern, die sich nicht von selbst in standardmäßigen öffentlichen Beteiligungsprozessen oder zum Beispiel in Workshops von  Mehr Demokratie e.V. einbringen, wollen wir eine Hand reichen. Unser Ziel ist es, die Repräsentativität der Beteiligung durch eine persönliche Ansprache zu erhöhen. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass wir damit auf dem richtigen Weg sind.

Auf welche Herausforderungen treffen Sie dabei?
Wenn ich ganz ehrlich bin, dann ist eine Herausforderung, dass zufällig zusammengesetzte Workshops im öffentlichen Diskurs gerade in Mode sind und Alternativen kaum zur Diskussion kommen. Politikferne Menschen, die wenig Kontakte zu Politik und Verwaltung haben, werden dort genauso unterrepräsentiert sein wie bisher. Denn seien wir mal ehrlich: jedes Parlament ist repräsentativer als eine zufällig zusammengesetzte Arbeitsgruppe.

Im Koalitionsvertrag für Bremen sind Bürgerforen vorgesehen, deren Mitglieder nach dem Zufallsprinzip ausgewählt werden. Angedacht für ausgewählte politische Fragestellungen. Verraten Sie uns, wie weit Sie damit sind und ob es schon Vorschläge gibt, zu welchen Themen das Format stattfinden soll?
Die Konzeption von Bürgerforen ist in Arbeit. Ich bitte um Verständnis, dass wir auf diesem Wege noch nicht sagen können, mit welchen Themen wir starten wollen. Diese sind noch in der Abstimmung. Nur so viel, dass wir bereitstehen, schon in den nächsten Monaten mit der Umsetzung beginnen zu können.

Welche Standards und Kriterien sind für solch ein losbasiertes Verfahren besonders zu berücksichtigen?
Die oberste Prämisse ist es, beteiligungsferne Gruppen und Menschen ohne direkten Zugang zu Parteien, Verbänden oder Bürgerinitiativen, die weniger vertraut sind mit politischen Prozessen, einzubeziehen und dabei trotzdem einen repräsentativen Bevölkerungsquerschnitt abzubilden. Insofern ist ein Qualitätskriterium, über losbasierte Verfahren möglichst hinauszugehen. Darüber hinaus sehen wir in dem Bremer Leitbild für Bürgerbeteiligung eine gute Basis zur Orientierung.

Anmerkung:

Es ist in der Tat nicht ganz einfach, in Beteiligungsverfahren Diversität zu erzeugen. Mehr Demokratie teilt aber nicht Frau Wessolowski-Müllers grundsätzliche Skepsis. Die geschichtete Zufallsauswahl kann Elitenbildung in Bürgerräten und anderen Beteiligungsverfahren verhindern. Damit tatsächlich die gesamte Bevölkerung widergespiegelt wird und nicht – wie in Parlamenten und Parteien üblich – die höher Gebildeten stark überrepräsentiert sind. Hier erläutern wir, wie die Auswahl funktioniert.

Wenn das nicht reicht, gibt es noch das aufsuchende Losverfahren. Dabei werden ausgeloste Personen gezielt persönlich besucht, um mit ihnen über eine Teilnahme am Beteiligungsverfahren zu reden und etwaige Bedenken auszuräumen. Mehr dazu beim Netzwerk Bürgerbeteiligung.

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