(Symbol-)Foto: Marco Verch / flickr (CC BY 2.0)
14. Februar: Bürgermeisterinnen-Begehren in Bergen
Wir kennen Bürgerbegehren von unten, angestoßen aus der Bevölkerung. Und wir kennen Ratsbürgerentscheide: das sind Bürgerentscheide, die durch den Gemeinderat gestartet werden. Motto: Politik fragt, Bürger antwortet. Auch für uns neu ist eine dritte Kategorie der direkten Demokratie in den Kommunen: das Bürgermeisterinnen-Bürgerbegehren! Soll die Grundschule im Bergener Stadtteil Eversen (Landkreis Celle) geschlossen werden? Müssen die Kids demnächst im drei Kilometern entfernten Sülze das kleine Einmaleins lernen? Bergens Bürgermeisterin Claudia Dettmar-Müller (parteilos) hat, wie sie betont: als Privatperson, ein Bürgerbegehren pro Zusammenlegung beider Bildungseinrichtungen gestartet. Denn es sei Zeit, „eine basisdemokratische Entscheidung“ herbeizuführen. Sie beraube den Rat seiner Gestaltungsmöglichkeiten. Dabei sei der Willensbildungsprozess doch schon weit vorangeschritten gewesen – so lautet der Tenor einer gemeinsamen Stellungnahme von CDU, SPD und Grünen.
23. März: Bürgerentscheid in Schwülper „abgewendet“
Erneut war ein Bürgerbegehren auch ohne Bürgerentscheid erfolgreich: In Schwülper wird eine Skate-Anlage an der Okerhalle errichtet. Das beschloss der Gemeinderat Ende März, und zwar „ohne Begeisterung, dafür mit knapper Mehrheit“, wie die Lokalpresse vermeldet. Dies geschah ausweislich Beschlussvorlage wegen „der hohen Anzahl der unterzeichneten Befürworter des Bürgerbegehens und dem erheblichen Aufwand eines Bürgerentscheides“. „Abwendung Bürgerentscheid“ war die Beschlussvorlage denn auch überschrieben. Kurzum: Der Lokalpolitik musste die Anlage aufgedrängt werden. Und dies gelang mit den Mitteln der direkten Demokratie. Die Fläche gehört der Gemeinde. Die jugendlichen Initiatorinnen und Initatoren werden via Rundem Tisch in der Planung einbezogen, die Nachbarinnen und Nachbarn durch eine Lärmschutzwand geschützt. Sie hatten Unterschriften gegen die Anlage gesammelt.
16. April: Bürgerentscheid in Ebstorf
Der Erhalt alter Gebäude bleibt ein Mega-Thema in Niedersachsen. Allein in den vergangenen fünf Jahren wurden 15 Bürgebegehren aus diesem Themenfeld gestartet. Nun kommt es zum sechsten Mal zu einem Bürgerentscheid – die anderen fünf gingen stets zu Ungunsten der Inititatorinnen und Initiatoren aus. Es geht um den Erhalt des Kaufhaus Kort in Ebstorf, das vom Abriss bedroht ist. Konkret soll der Klosterflecken Ebstorf das alte Gebäude von der Samtgemeinde Bevensen-Ebstorf kaufen – „mit dem Ziel, dieses zu erhalten“. Die Gründe: Heimat, Identität, Klimaschutz. Gut 4500 Abstimmungsberechtigte sind am 16. April zu den Abstimmungsurnen gerufen. Es ist der erste Bürgerentscheid in Niedersachsen im Jahr 2023, der erste in der Gemeinde und der zweite im Kreis Uelzen.
7. Mai: Ratsentscheid in Grafschaft Bentheim
Die Vorgeschichte ist ein wenig bizarr: Vor zwei Jahren fand ein von unten angestoßener Bürgerentscheid in der Grafschaft Bentheim statt. Das Ergebnis: Die Eissporthalle in Nordhorn solle „saniert“ werden. Der Kreisrat interpretierte dieses Verb kreativ – sanieren heißt demgemäß: abreißen und neu bauen. Dann galoppierten die kalkulierten Kosten für die neue Eissporthalle davon. Auch schien plötzlich unklar, ob ein wirtschaftlicher Betrieb trotz drastisch gestiegener Energiekosten möglich sein würde. Ein potenzieller Käufer sprang ab. Schließlich stieß der Kreistag einen Ratsentscheid an.
Es kommt also zu einem zweiten Bürgerentscheid, diesmal von oben initiiert. Am 7. Mai werden die Urnen aufgestellt: „Sind Sie dafür, dass der Landkreis Grafschaft Bentheim eine neue Eissporthalle am bestehenden Standort in Nordhorn errichtet?“. Zwei Skandale gab es. Erstens, weil ein als vertraulich eingestufter Entwurf für die Fragestellung via Facebook den Weg in die Öffentlichkeit fand. In der Grafschaft ist man sehr erregt über das dort so genannte „Datenleck“. Übergangen fühlt sich zweitens die Bürgerinitiative, die den ersten Bürgerentscheid anstieß, weil ihr Statement im Abstimmungsheft für den zweiten Bürgerentscheid ganz hinten stehen soll. Immerhin gibt es ein Abstimmungsheft – das war bei 139 in Niedersachsen abgehaltenen Bürgerentscheiden bisher erst einmal der Fall.