Dass die Finanzwirksamkeit von Volksentscheiden zu den schwierigeren Themen des im Oktober eingesetzten Reformausschusses gehören würde, war von Anfang an klar. Schließlich wurde nur zu diesem Thema eine gutachterliche Stellungnahme eingeholt. Diese wurde in der März-Sitzung des Ausschusses von Prof. Dr. Theo Schiller aus Marburg präsentiert.
Schiller beschäftigte sich zunächst mit grundsätzlichen Fragen: Neben internationalen Erfahrungen (Verweis auf obligatorische Finanzreferenden) verwies er auf die Rechtslage in anderen Bundesländern, die z. T. andere Formulierungen vorschlägt. Der Marburger Politikwissenschaftler verwies hier auf eine restriktive deutsche Verfassungstradition. Volksbegehren mit wesentlichen Auswirkungen auf die Landeshaushalte sind bisher in der Regel unzulässig. Als einen Durchbruch bezeichnete er das Urteil des Verfassungsgerichtshofs in Sachsen aus dem Jahre 2002, dem eine engere Interpretation des Finanzvorbehalts zugrunde liegt.
Den Spielraum des Verfassungsgesetzgebers bewertete Schiller als groß, Auswirkungen von Urteilen anderer Landesverfassungsgerichte auf Bremen hielt er in seiner Stellungsnahme für begrenzt. Das Urteil des Bremer Staatsgerichtshofs aus dem Jahr 2000, das sich mit dieser Frage befasste, wurde von ihm kritisiert. In Bremen sollte man sich die Frage stellen, „was wollen wir ändern?“ und dann entscheiden. Schiller hielt es für möglich die Formulierung „Haushaltsplan“ zu streichen und durch „gültiges Haushaltsgesetz“ zu ersetzen. Damit wären finanzwirksame Abstimmungen für zukünftige Projekte auf jeden Fall möglich. Grenzen sah er in jedem Fall durch Art. 109 GG und die Bremische Verfassung (Art. 102 u. 119) gesetzt.
Schiller präsentierte drei mögliche Lösungsansätze:
1.Deckungsvorschlag:
- auch über den Vorschlag der Initiative, wie die Kosten gedeckt werden könnten, würde im Volksentscheid abgestimmt werden
- Beratung bei der Ermittlung der Kosten
- Bagatellgrenze festlegen
- Unzulässigkeit der Kreditaufnahme
2. materielle Auswirkungsgrenze:
- wenn es dem Gesetzgeber durch das Volksbegehren verunmöglicht würde, einen verfassungsmäßigen Haushalt aufzustellen
- wenn der Gesetzentwurf eine Neuordnung der Haushaltsplanung erzwingen würde
3.institutionelle Verschränkung (Art. 102 + 119):
- ein Volksbegehren ist unzulässig, wenn der Gesetzentwurf es der Bremischen Bürgerschaft unmöglich machen würde, die Deckungsverpflichtung einzuhalten
Paul Tiefenbach trug abschließend die Position von Mehr Demokratie zur Frage des "Finanztabus" vor. Mehr Demokratie schlägt vor, dass finanzwirksame Volksbegehren ausdrücklich möglich sein sollen. In Anlehnung an den rot-grünen Gesetzentwurf für die Bundesebene sollte nur das Haushaltsgesetz als solches ausgenommen werden. Gefordert ist eine klare Formulierung, die keinen großen Interpretationsspielraum zulässt. Tiefenbach schilderte die Erfahrungen in Ländern wie der Schweiz und erwähnte auch die Kommunalebene in Deutschland: es gibt sehr viele Kommunen in der Bundesrepublik, die Bürgerentscheide zu finanziell wirksamen Themen kennen.
Insgesamt verlief die Debatte wenig kontrovers, was darauf hindeutet, dass noch erheblicher Informationsbedarf besteht. Wichtig erschien allen war vor allem eine klare Formulierung und Vereinfachung, damit sich der Spielraum für finanzwirksame Volksbegehren erweitert. Gleichzeitig spielte die Haushaltslage des Landes Bremen eine große Rolle. Das Land Bremen hat seit längerer Zeit keinen verfassungsgemäßen Haushalt. Bei einer Gleichrangigkeit beider Gesetzgeber Volk und Parlament führte das zu der Frage, wie mit Volksbegehren umgegangen werden soll, die Ausgaben fordern. Ein Vorschlag bezog sich darauf, jene Mittel im Haushalt der Volksgesetzgebung zugänglich zu machen, die nicht durch gesetzlich geforderte Ausgaben gebunden sind.
Das weitere Vorgehen des Ausschusses sieht folgendermaßen aus: in der April-Sitzung wird noch einmal die Frage der zulässigen Themen behandelt. Außerdem sollen vom Justizsenator und vom wissenschaftlichen Dienst Stellungnahmen zur Finanzwirksamkeit verfasst werden. Anschließend sind die Fraktionen aufgefordert, Vorschläge einzureichen, damit bis zur Sommerpause ein Bericht an die Bürgerschaft verfasst werden kann....
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