Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz (Auszug)

Stand: 01.11.2021

Kommunalverfassungsgesetz im Internet (pdf, Nds. Innenministerium)

§ 32

Bürgerbegehren

(1) Mit einem Bürgerbegehren kann beantragt werden, dass Bürgerinnen und Bürger über eine Angelegenheit ihrer Kommune entscheiden.

(2) Gegenstand eines Bürgerbegehrens können nur Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises der Kommune sein, für die die Vertretung nach § 58 Abs. 1 oder 2 zuständig ist oder für die sie sich die Beschlussfassung nach § 58 Abs. 3 Sätze 1 und 2 vorbehalten kann und zu denen nicht innerhalb der letzten zwei Jahre ein Bürgerentscheid durchgeführt worden ist. Unzulässig ist ein Bürgerbegehren über

1. die innere Organisation der Kommunalverwaltung,

2. die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Vertretung, des Hauptausschusses, der Stadtbezirksräte, der Ortsräte und der Ausschüsse sowie der Beschäftigten der Kommune,

3. die Haushaltssatzung, einschließlich der Haushalts- und Wirtschaftspläne der Eigenbetriebe, sowie über die kommunalen Abgaben und die privatrechtlichen Entgelte,

4. den Jahresabschluss der Kommune und die Jahresabschlüsse der Eigenbetriebe,

5. Angelegenheiten, die im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens, eines förmlichen Verwaltungsverfahrens mit Öffentlichkeitsbeteiligung oder eines abfallrechtlichen, immissionsschutzrechtlichen, wasserrechtlichen oder vergleichbaren Zulassungsverfahrens zu entscheiden sind,

6. die Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung von Bauleitplänen und sonstigen Satzungen nach dem Baugesetzbuch (BauGB),

7. Entscheidungen als Träger von Krankenhäusern oder des Rettungsdienstes,

8. Entscheidungen über Rechtsbehelfe und Rechtsstreitigkeiten sowie

9. Angelegenheiten, die ein gesetzwidriges Ziel verfolgen oder sittenwidrig sind.

(3) Das Bürgerbegehren muss die begehrte Sachentscheidung genau bezeichnen und so formuliert sein, dass für das Begehren mit Ja und gegen das Begehren mit Nein abgestimmt werden kann. Das Bürgerbegehren muss eine Begründung enthalten. Im Bürgerbegehren sind bis zu drei Personen zu benennen, die berechtigt sind, die antragstellenden Personen zu vertreten (Vertretungsberechtigte). Das Bürgerbegehren ist der Kommune in schriftlicher Form anzuzeigen. In der Anzeige kann beantragt werden, vorab zu entscheiden, ob die Voraussetzungen nach den Sätzen 1 bis 3 und Absatz 2 vorliegen. Die Hauptverwaltungsbeamtin oder der Hauptverwaltungsbeamte berät die Bürgerinnen und Bürger, die ein Bürgerbegehren einreichen wollen, auf Verlangen in rechtlichen Fragen des Bürgerbegehrens; Kosten werden nicht erhoben.

(4) Die Kommune erstellt unverzüglich nach Eingang der Anzeige des Bürgerbegehrens eine Schätzung der Kosten für die Umsetzung der begehrten Sachentscheidung. Die Kostenschätzung muss auch die Folgekosten der Umsetzung der begehrten Sachentscheidung berücksichtigen. Im Fall eines Antrags auf Vorabentscheidung nach Absatz 3 Satz 5 hat der Hauptausschuss zunächst unverzüglich über diesen Antrag zu entscheiden. Die Entscheidung ist den Vertretungsberechtigten unverzüglich bekannt zu geben. Wird in der Vorabentscheidung das Vorliegen der Voraussetzungen nach Absatz 2 und Absatz 3 Sätze 1 bis 3 festgestellt, so ist anschließend unverzüglich die Kostenschätzung zu erstellen. Die Kommune hat die Kostenschätzung nach den Sätzen 1 und 5 den Vertretungsberechtigten unverzüglich schriftlich oder in elektronischer Form mitzuteilen. Die Kostenschätzung ist von den Vertretungsberechtigten in das Bürgerbegehren aufzunehmen. Diese können zusätzlich eine abweichende eigene Kostenschätzung aufnehmen. In diesem Fall ist das ergänzte Bürgerbegehren der Kommune erneut anzuzeigen.

(5) Das Bürgerbegehren muss in Kommunen

- mit bis zu 100 000 Einwohnerinnen und Einwohnern von mindestens 10 Prozent,

- mit 100 001 bis 200 000 Einwohnerinnen und Einwohnern von mindestens 7,5 Prozent und

- mit mehr als 200 000 Einwohnerinnen und Einwohnern von mindestens 5 Prozent

der nach § 48 in der Kommune wahlberechtigten Einwohnerinnen und Einwohner unterzeichnet sein. 2 Maßgeblich ist die bei der letzten Kommunalwahl festgestellte Zahl der Wahlberechtigten. 3 § 31 Abs. 3 gilt entsprechend.

(6)1Das Bürgerbegehren ist mit den zu seiner Unterstützung erforderlichen Unterschriften innerhalb von sechs Monaten bei der Kommune in schriftlicher Form einzureichen. Die elektronische Form ist unzulässig. Die Frist beginnt einen Monat nach dem Eingang der Kostenschätzung der Kommune bei den Vertretungsberechtigten. Richtet sich das Bürgerbegehren gegen einen bekannt gemachten Beschluss der Vertretung, so beträgt die Frist drei Monate nach dem Tag der Bekanntmachung.

(7) Der Hauptausschuss entscheidet unverzüglich über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens. Wurde in der Vorabentscheidung nach Absatz 4 Satz 3 festgestellt, dass die Voraussetzungen des Absatzes 2 und des Absatzes 3 Sätze 1 bis 3 vorliegen, so entscheidet er nur noch über das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 4 Satz 7 und der Absätze 5 und 6. Die Hauptverwaltungsbeamtin oder der Hauptverwaltungsbeamte gibt den Vertretungsberechtigten die Entscheidung unverzüglich bekannt und unterrichtet die Vertretung in der nächsten Sitzung über die Entscheidung. Ist das Bürgerbegehren zulässig, so muss innerhalb von drei Monaten ein Bürgerentscheid stattfinden. Die Vertretung kann den Bürgerentscheid abwenden, indem sie zuvor vollständig oder im Wesentlichen im Sinne des Bürgerbegehrens entscheidet.

(8) Ist die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens festgestellt, so darf bis zu dem Tag, an dem der Bürgerentscheid stattfindet, eine dem Begehren entgegenstehende Entscheidung nicht mehr getroffen und mit dem Vollzug einer solchen Entscheidung nicht mehr begonnen werden, es sei denn, dass die Kommune hierzu gesetzlich verpflichtet ist.

 

§ 33

Bürgerentscheid

(1) Die Vertretung kann auf Antrag der Mehrheit ihrer Mitglieder mit einer Mehrheit von zwei Dritteln ihrer Mitglieder beschließen, dass über eine Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises der Kommune innerhalb von drei Monaten durch Bürgerentscheid entschieden wird. Der Beschluss ist auch zulässig, wenn eine einem zugelassenen Bürgerbegehren entgegenstehende Entscheidung begehrt wird. § 32 Abs. 2 gilt entsprechend. Der Stimmzettel muss eine § 32 Abs. 3 Satz 1 entsprechende Bezeichnung der begehrten Sachentscheidung, eine Begründung und eine § 32 Abs. 4 Sätze 1 und 2 entsprechende Kostenschätzung enthalten.

(2) Der Bürgerentscheid findet an einem Sonntag in der Zeit von 8.00 Uhr bis 18.00 Uhr statt. Ein Bürgerentscheid darf nicht an dem Tag stattfinden, an dem Abgeordnete der Vertretung oder die Hauptverwaltungsbeamtin oder der Hauptverwaltungsbeamte gewählt werden.

(3) Die Abstimmungsberechtigten sind rechtzeitig vor dem Bürgerentscheid schriftlich zu benachrichtigen. Die Abstimmung in Briefform ist zu ermöglichen. Die Abstimmung soll in den Räumen stattfinden, die bei der letzten Kommunalwahl als Wahlräume bestimmt worden sind.

(4) Bei dem Bürgerentscheid darf nur mit Ja oder Nein abgestimmt werden. Die Abstimmenden geben ihre Entscheidung durch ein Kreuz oder in sonstiger Weise zweifelsfrei auf dem Stimmzettel zu erkennen. Der Bürgerentscheid ist verbindlich, wenn die Mehrheit der gültigen Stimmen auf Ja lautet und diese Mehrheit mindestens 20 Prozent der nach § 48 Wahlberechtigten beträgt; § 32 Abs. 5 Satz 2 gilt entsprechend. Bei Stimmengleichheit ist das Bürgerbegehren abgelehnt.

(5) Sind mehrere Bürgerentscheide durchzuführen, die im Fall ihres Erfolgs nicht nebeneinander umgesetzt werden können, so finden die Bürgerentscheide am selben Tag statt. Die Frist nach § 32 Abs. 7 Satz 4 beginnt mit der spätesten Zulässigkeitsentscheidung des Hauptausschusses, im Fall des Absatzes 1 mit dem Beschluss der Vertretung. Erfüllen mehrere dieser Bürgerentscheide die Voraussetzungen nach Absatz 4 Satz 3, so ist nur der Bürgerentscheid verbindlich, bei dem die meisten gültigen Ja-Stimmen abgegeben wurden. Ist die Zahl der gültigen Ja-Stimmen bei mehreren Bürgerentscheiden gleich, so ist der Bürgerentscheid verbindlich, bei dem die wenigsten gültigen Nein-Stimmen abgegeben wurden. Ist auch die Zahl der Nein-Stimmen gleich, so liegt ein verbindlicher Bürgerentscheid nicht vor.

(6) Ein verbindlicher Bürgerentscheid steht einem Beschluss der Vertretung gleich. Vor Ablauf von zwei Jahren kann der Bürgerentscheid nur auf Veranlassung der Vertretung durch einen neuen Bürgerentscheid abgeändert oder aufgehoben werden.

 

Ergänzende Artikel des Kommunalverfassungsgesetzes, auf die in den §§ 32 und 33 Bezug genommen wird.

 

§ 28 (Begriffsbestimmung: Bürgerinnen und Bürger)

(2) Bürgerinnen und Bürger einer Kommune sind die Einwohnerinnen und Einwohner, die zur Wahl der Vertretung dieser Kommune berechtigt sind.

 

§ 31

Einwohnerantrag (Auszug)

(3) Jede Unterschriftenliste muss den vollen Wortlaut des Einwohnerantrags enthalten. Ungültig sind Eintragungen, die

1. die Person nach Name, Anschrift und Geburtsdatum nicht zweifelsfrei erkennen lassen,

2. von Personen stammen, die nicht gemäß Absatz 1 Satz 1 antragsberechtigt oder gemäß § 48 Abs. 2 vom Wahlrecht ausgeschlossen sind.

 

§ 58

Zuständigkeit der Vertretung (Rat)

(1) Die Vertretung beschließt ausschließlich über

1. die grundlegenden Ziele der Entwicklung der Kommune,

2. Richtlinien, nach denen die Verwaltung geführt werden soll,

3. den Namen, eine Bezeichnung, das Wappen, die Flagge und das Dienstsiegel der Kommune,

4. Gebietsänderungen und den Abschluss von Gebietsänderungsverträgen,

5. Satzungen und Verordnungen,

6. die Verleihung und Entziehung von Ehrenbezeichnungen,

7. die Erhebung öffentlicher Abgaben (Gebühren, Beiträge und Steuern) und Umlagen,

8. die Festlegung allgemeiner privatrechtlicher Entgelte, es sei denn, dass deren jährliches Aufkommen einen in der Hauptsatzung festgesetzten Betrag voraussichtlich nicht übersteigt,

9. die Haushaltssatzung, das Haushaltssicherungskonzept, über- und außerplanmäßige Aufwendungen, Auszahlungen und Verpflichtungen nach Maßgabe der §§ 117 und 119 sowie über das Investitionsprogramm,

10. den Jahresabschluss, den konsolidierten Gesamtabschluss, die Zuführung zu Überschussrücklagen (§ 123 Abs. 1 Satz 1) und die Entlastung der Hauptverwaltungsbeamtin oder des Hauptverwaltungsbeamten,

10a. den Jahresabschluss der Eigenbetriebe und die Entlastung der Betriebsleitung sowie den Lagebericht und die Verwendung des Jahresgewinns oder die Behandlung des Jahresverlustes,

11. die Errichtung, Gründung, Übernahme, wesentliche Erweiterung, teilweise oder vollständige Veräußerung, Aufhebung oder Auflösung von Unternehmen, von kommunalen Anstalten und von Einrichtungen im Rahmen des Wirtschaftsrechts, insbesondere von Eigenbetrieben, von Gesellschaften und von anderen Vereinigungen in einer Rechtsform des privaten Rechts, sowie über die Wirtschaftsführung von Einrichtungen als Eigenbetriebe oder als selbständige Einrichtungen im Sinne von § 139,

12. die Beteiligung an Gesellschaften und anderen Vereinigungen in einer Rechtsform des privaten Rechts sowie die Änderung der Beteiligungsverhältnisse,

13. die Verpachtung von Unternehmen und Einrichtungen der Kommune oder solchen, an denen die Kommune beteiligt ist, die Übertragung der Betriebsführung dieser Unternehmen und Einrichtungen auf Dritte sowie den Abschluss von sonstigen Rechtsgeschäften im Sinne von § 148,

14. die Verfügung über Vermögen der Kommune, insbesondere Schenkungen und Darlehen, die Veräußerung oder Belastung von Grundstücken und die Veräußerung von Anteilen an einem Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit, ausgenommen Rechtsgeschäfte, deren Vermögenswert eine von der Hauptsatzung bestimmte Höhe nicht übersteigt,

15. Richtlinien für die Aufnahme von Krediten (§ 120 Abs. 1 Satz 2),

16. die Übernahme von Bürgschaften, den Abschluss von Gewährverträgen, die Bestellung von Sicherheiten für Dritte sowie diejenigen Rechtsgeschäfte, die den vorgenannten Verpflichtungen oder der Aufnahme von Krediten wirtschaftlich gleichstehen, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft einen in der Hauptsatzung bestimmten Betrag nicht übersteigt, oder zu den Rechtsgeschäften der laufenden Verwaltung gehört,

17. die Mitgliedschaft in kommunalen Zusammenschlüssen, die Änderung der Beteiligungsverhältnisse an gemeinsamen kommunalen Anstalten und den Abschluss von Zweckvereinbarungen, wenn die Zweckvereinbarungen Aufgabenübertragungen zum Inhalt haben,

18. die Errichtung, Zusammenlegung und Aufhebung von Stiftungen, die Änderung des Stiftungszwecks sowie die Verwendung des Stiftungsvermögens, es sei denn, dass das von der Entscheidung betroffene Stiftungsvermögen einen in der Hauptsatzung bestimmten Betrag nicht übersteigt,

19. die Übernahme neuer Aufgaben, für die keine gesetzliche Verpflichtung besteht, und

20. Verträge der Kommune mit Mitgliedern der Vertretung, sonstigen Mitgliedern von Ausschüssen, von Stadtbezirksräten und von Ortsräten oder mit der Hauptverwaltungsbeamtin oder dem Hauptverwaltungsbeamten, es sei denn, dass es sich um Verträge aufgrund einer förmlichen Ausschreibung oder um Geschäfte der laufenden Verwaltung, deren Vermögenswert einen in der Hauptsatzung bestimmten Betrag nicht übersteigt, handelt.

(2) Der Rat ist über Absatz 1 hinaus ausschließlich zuständig für

1. die Benennung von Gemeindeteilen, Straßen und Plätzen, es sei denn, dass die Straßen und Plätze ausschließlich in einer Ortschaft, für die ein Ortsrat gewählt wurde, oder in einem Stadtbezirk gelegen sind,

2. die abschließende Entscheidung über die Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung von Bauleitplänen,

3. die Verleihung und Entziehung des Ehrenbürgerrechts und

4. die Umwandlung von Gemeindegliedervermögen in freies Gemeindevermögen sowie die Veränderung der Nutzungsrechte an Gemeindegliedervermögen.

In Samtgemeinden ist für die abschließende Entscheidung über Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung von Flächennutzungsplänen der Samtgemeinderat zuständig.

(3) Die Vertretung beschließt über Angelegenheiten, für die der Hauptausschuss, ein Ausschuss nach § 76 Abs. 3, der Betriebsausschuss oder nach § 85 Abs. 1 Nr. 7 die Hauptverwaltungsbeamtin oder der Hauptverwaltungsbeamte zuständig ist, wenn sie sich im Einzelfall die Beschlussfassung vorbehalten hat. In der Hauptsatzung kann sich die Vertretung die Beschlussfassung auch für bestimmte Gruppen solcher Angelegenheiten vorbehalten. 3 Die Vertretung kann über die in Satz 1 genannten Angelegenheiten ferner dann beschließen, wenn sie ihr vom Hauptausschuss oder einem Ausschuss nach § 76 Abs. 3 zur Beschlussfassung vorgelegt werden.