Transparenz und Informationsfreiheit in Niedersachsen: Null Punkte für den Geheimniskrämer
Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht auf Transparenz und Information. Nur wer sich informieren kann, ist in der Lage, fundierte Entscheidungen zu treffen und kann sein Recht auf Kontrolle der Politik und Verwaltung voll ausüben. Informationen, die in öffentlichen Stellen vorhanden sind, gehören der Allgemeinheit, nicht der Behörde. Sie sollten deshalb auch öffentlich zugänglich sein.
Doch in Niedersachsen steht es nicht gut um die Auskunftsrechte der Bürgerinnen und Bürger (Informationsfreiheit) sowie die Auskunftspflichten der Verwaltung (Transparenz): Im bundesweiten Transparenz-Ranking von Mehr Demokratie belegt unser Bundesland den letzten Platz. Von 100 möglichen Punkten erreicht Niedersachsen exakt... null. Das durchschnittliche Bundesland erhält 38, Spitzenreiter Hamburg 66 Punkte.
Informationsfreiheitsgesetze sorgen dafür, dass jeder Bürger Auskunft darüber verlangen kann, welche Informationen in Behörden zu einem bestimmten Sachverhalt vorliegen. Berechtigten Datenschutzinteressen ist dabei selbstverständlich Rechnung zu tragen. Antragsteller können Einsicht in die Originalakten verlangen beziehungsweise Kopien anfordern.
Während die meisten Bundesländer das Thema Informationsfreiheit und Transparenz zumindest ein Stück weit ernst nehmen und den Bürgerinnen und Bürgern auf deren Wunsch hin Zugang zu Informationen gewähren und Daten und Verträge proaktiv veröffentlichen, gefällt Niedersachsen sich in der Rolle des Geheimniskrämers. Hier gibt es noch immer kein Informationsfreiheitsgesetz, kein Transparenzgesetz, keine Auskunftspflichten und keinen Informationsfreiheitsbeauftragten. Deswegen null Punkte.
Das ließe sich ändern – anderen Bundesländern ist es ja auch gelungen. Wir haben acht Eckpunkte formuliert, die aufzeigen, was sich in Niedersachsen ändern sollte. Doch 2017 war der Entwurf eines Niedersächsischen Informationszugangsgesetzes unter den Trümmern der rot-grünen Koalition begraben worden. Die aktuelle rot-schwarze Landesregierung will „die Erfahrungen anderer Bundesländer... evaluieren“ und dann vielleicht „entscheiden“. So steht es im Koalitionsvertrag.
Zwar wurde ein interministerieller Arbeitskreis eingesetzt. Aber: „Die Schaffung eines Anspruchs auf Informationen, der gegen die Verwaltung erhoben werden könnte, war kein Bestandteil der Arbeit des interministeriellen Arbeitskreises“, betonte Wirtschaftsstaatssekretär Stefan Muhle (CDU) am 10. März 2021 vor dem Landtags-Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen. Kein Anspruch auf Informationen? Eine klare Absage an die Informationsfreiheit.
Dass es auch anders geht, zeigt der deutsche Transparenz-Meister Hamburg. Das Hamburgische Transparenzgesetz von 2012 verpflichtet den Stadtstaat, amtliche Informationen proaktiv und kostenlos im Internet zu veröffentlichen. Dazu gehören etwa Gutachten, Senatsbeschlüsse und Verträge ab 100.000 Euro, sofern sie die Daseinsvorsorge betreffen.
Transparenzranking 2021
Mehr Demokratie und Open Knowledge Foundation legen ein neues Transparenz-Ranking vor. Dabei offenbaren sich große Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern. In Hamburg (Platz 1) macht die Verwaltung amtliche Dokumente und Aufzeichnungen von sich aus kostenlos zugänglich, seitdem 2012 eine Volksinitiative für ein Transparenzgesetz erfolgreich war. In Bundesländern wie Niedersachsen dagegen sind Verträge der öffentlichen Hand, Gutachten oder für die Allgemeinheit wichtigen Informationen, zum Beispiel über staatlich kontrollierte Unternehmen, Hochschulen oder Strafverfolgungsbehörden, für die Bürgerinnen und Bürger überhaupt nicht einsehbar.