Wahlen 2019 – Wählerinnen und Wähler verlieren Einfluss

[13/19] Mehr Demokratie: Wahlrechtsdebatte geht weiter

Der Verein Mehr Demokratie hat heute seine Auswertung der Wahl 2019 vorgestellt. Demnach verlieren die Personenstimmen deutlich an Einfluss. Nur noch sieben Kandidierende schafften dank ihrer Personenstimmen den Sprung von einem hinteren Listenplatz nach vorne. 2015 waren es noch 22, nach dem Mehr Demokratie-Vorschlag von 2018 wären es 25 gewesen. Gleichzeitig trat der Effekt des Personenstimmenparadoxons, der als Begründung für die Wahlrechtsänderung durch die Bürgerschaft diente, auch bei dieser Wahl wieder auf. Petra Jäschke (Listenplatz 4, SPD, Bremerhaven) erhielt aufgrund ihrer persönlichen Stimmen kein Mandat. Hätten ihre Wählerinnen und Wähler die Liste gewählt, anstatt sie persönlich, hätte sie ein Mandat erhalten.

Die von den Parteien befürchteten Effekte bei einer Anwendung des Mehr Demokratie-Gesetzentwurfes hingegen wären ausgeblieben. So hätte die jüngste Altersgruppe mit dem Volksbegehrens-Entwurf leicht besser abgeschnitten, auch wäre der Frauenanteil nahezu gleich geblieben.

Wäre der Vorschlag des Volksbegehrens angewendet worden, hätte dies zu einer etwas ausgewogeneren Alterstruktur in der Bürgerschaft geführt.

So gäbe es ein Mandat mehr für die Altersgruppe der unter 35-jährigen, auch die über 60-jährigen hätten besser abgeschnitten. Der Anteil der Kandidat/innen mit Migrationshintergrund sinkt nach der Wahl 2019 deutlich. Mit dem Vorschlag von Mehr Demokratie wäre dieser Anteil deutlich höher. Statt jetzt neun säßen 20 Abgeordnete mit Migrationshintergrund in der Bürgerschaft. Der Anteil der Frauen in der Bürgerschaft ist 2019 im Vergleich zur Wahl 2015 wieder gestiegen (40,5 Prozent). Dies wäre allerdings auch beim Vorschlag von Mehr Demokratie der Fall gewesen (39,3 Prozent). Demnach wäre nur eine Frau weniger in der Bürgerschaft vertreten gewesen. „Der Mehr Demokratie-Vorschlag hätte einen hohen Frauenanteil und den Wählereinfluss gesichert, das Parteien-Wahlrecht sichert nur die Listenreihenfolge der Parteien“ kommentiert Tober die Zahlen.

„Die Bürgerschaft sollte das Wahlrecht nicht ad acta legen, sondern Antworten geben“ erklärt Katrin Tober. Schließlich gehe es hier um ein zentrales Element der Demokratie. „Wenn die Wählerinnen und Wähler bei der Parlamentswahl Einfluss verlieren und die angeführten Begründungen für die Reform nicht stimmen, dann stehen die Abgeordneten in der Pflicht“. Dem Einflussverlust stehe auf der Habenseite keine positive Wirkung gegenüber, stellt Tober fest.

Erfreulich sei der Rückgang der ungültigen Stimmen. Dies könne daran liegen, dass die Menschen sich mittlerweile an das Wahlrecht gewöhnt hätten. Da sich der Stimmzettel nicht verändert habe, könne dies jedoch nicht der Wahlrechtsänderung der Bürgerschaft zugeschrieben werden, so Mehr Demokratie.

Aus Sicht von Mehr Demokratie hat der Beschluss der Bürgerschaft vom Februar 2018 das Wahlrecht nachhaltig beschädigt. "Die Parteien haben eigene Machtinteressen durchgesetzt, ohne bestehende Probleme zu lösen. Jetzt hat die Wahl bestätigt, dass die angeführten Gründe nicht überzeugen", zieht Katrin Tober, Vertrauensperson des Volksbegehrens "Mehr Demokratie beim Wählen" ihr Fazit.

Hintergrund: Das 2006 per Volksbegehren eingebrachte Wahlrecht wurde im Frühjahr 2018 nach zwei Wahlen durch die Bürgerschaft geändert. Mit den Stimmen von SPD, Grünen, Linken, CDU und AfD wurde das Sitzzuteilungsverfahren geändert. Diese Änderung hat zur Folge, dass vordere Listenplätze deutlich wichtiger für die Erfolgschancen der Kandidierenden sind als zuvor.

Mehr Demokratie-Wahlauswertung zum Download:

bremen-nds.mehr-demokratie.de/hb-wahl19-analyse