Bremen: Wahlrecht

In Bremen gilt seit 2006 ein modernes Bürgerschaftswahlrecht, das durch ein Volksbegehren von Mehr Demokratie auf den Weg gebracht wurde. Die Bremische Bürgerschaft hat den Gesetzentwurf des Volksbegehrens im Dezember 2006 selbst beschlossen. Es löste das veraltete Einstimmen-Wahlrecht ab.

Im Mai 2011 wurde das neue Wahlrecht dann zum ersten Mal angewendet. Es gilt für alle Wahlen im Lande Bremen: für die Bürgerschaftswahl, die Wahlen zur Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven und die Wahlen zu den Beiräten in der Stadt Bremen. Im Zuge des Volksbegehrens wurde in Bremerhaven auch die 5-Prozent-Hürde abgeschafft.

Grundzüge des neuen Wahlrechts sind 5 Stimmen, die jeder Wähler und jede Wählerin frei auf dem Stimmzettel vergeben kann. Entscheidend ist nicht mehr allein der Listenplatz, den KandidatInnen von Ihren Parteien bekommen, sondern auch die Stimmenzahl, die auf die Kandidierenden entfällt. Dadurch erhalten die Bürgerinnen und Bürger mehr Mitspracherechte bei der Wahl ihrer Vertreter. Seit der Wahl 2011 gilt zudem ein niedrigeres Wahlalter. Diese Reform war nicht Teil des von Mehr Demokratie gestarteten Volksbegehrens.

Auf den folgenden Seiten stellen wir Ihnen das Bremer Wahlrecht vor: wie es funktioniert und welche Auswirkungen es bei den Wahlen 2011 und 2015 auf die Zusammensetzung des Parlamentes gab. Auch aktuelle Meldungen rund um das Wahlrecht finden Sie hier.

Im Februar 2018 hat die Bremische Bürgerschaft das Wahlrecht geändert. Durch eine Änderung beim Sitzzuteilungsverfahren wurde der Einfluss der Bürgerinnen und Bürger geschmälert. Mehr Demokratie e.V. ist mit diesen Änderungen nicht einverstanden und hat im März 2018 ein Volksbegehren gestartet. Am 7. August 2018 wurde das Volksbegehren zugelassen, die Sammelfrist lief vom 13. August bis 13. November. Am 13. November wurden 26.355 Unterschriften eingereicht. Am 7. Januar 2019 stellte der Landeswahlausschuss fest, dass das Volksbegehren nicht zustandegekommen ist. Es wurden nur 21.881 gültige Unterschriften eingereicht.

Alle Informationen über unser Volksbegehren auf unserer Kampagnenseite www.fuenf-richtige.de

Nachrichten rund ums Bremer Wahlrecht

Bremer Wahlrecht: Einfluss der Wählerinnen und Wähler soll deutlich sinken

Das gültige Bremer Wahlrecht, im Jahr 2006 von über 70.000 Bürgerinnen und Bürgern per Volksbegehren erstritten, soll geändert werden, so wollen es die Parteien. Gestern haben die Grünen über das Thema beraten.

Die Landesmitgliederversammlung von Bündnis 90/Die Grünen stimmte gestern für eine Reform des Bremer Wahlrechts, die sich am niedersächsischen Kommunalwahlrecht orientiert. Das würde bedeuten, bei der Sitzzuteilung zunächst über Personenstimmen erlangte Mandate zu verteilen und dann erst die über Listenstimmen erlangten Mandate. Im aktuell gültigen Wahlrecht ist es genau anders herum geregelt, was einen größeren Einfluss der Wählerinnen und Wähler gewährleistet.

Durch das aktuelle Wahlrecht wurden ca. 26 Prozent der Kandidatinnen und Kandidaten von hinteren Listenplätze in die Bürgerschaft gewählt. Mittlerweile wollen SPD, Linke und Grüne diesen Anteil senken, die CDU ist ebenso offen für Änderungen. Nach dem von den Parteien favorisierten niedersächsischen Modell würde dieser Anteil auf ca. elf Prozent fallen. Bei CDU, FDP und AfD hätte sich die Liste mit diesem Vorschlag überhaupt nicht geändert. In Bremerhaven wäre kein Kandidat eines hinteren Listenplatzes nach vorne gewählt worden. Auf die letzte Wahl bezogen würden im Ergebnis aus Bremen und Bremerhaven statt 22 nur noch neun Kandidatinnen und Kandidaten in die Bürgerschaft ziehen, die es über den Listenplatz nicht geschafft hätten.

Weitere Reformvorschläge wie eine feste Quote zwischen Listen- und Personenplätzen oder Heilungsregeln wurden von der grünen Mitgliederversammlung abgelehnt. Die ursprünglich von Parteienvertretern und Wissenschaftlern aufgeworfenen Probleme werden mit diesem Vorschlag gar nicht gelöst. Allein der Einfluss der Wählerinnen und Wähler wird geschmälert. Katrin Tober, Sprecherin des Landesverbandes Bremen von Mehr Demokratie e.V. wundert sich: „Dieser Vorschlag und seine Auswirkungen wurden in der Bürgerschaft noch gar nicht diskutiert. Trotzdem legen sich SPD und Grüne vorschnell fest. Das wird dem Thema Wahlrecht nicht gerecht, hier wäre eine breitere Debatte wünschenswert.“

Bereits in der Wahlperiode 2007 bis 2011 gab es Überlegungen, das Wahlrecht in der jetzt diskutierten Weise zu ändern. Damals wurde dem Staatsgerichtshof lediglich die Frage vorgelegt, ob das aktuelle Bremer Modell verfassungskonform sei, was dieser bestätigte. Über die Auswirkungen von Änderungen nach niedersächsischem Vorbild wurde in der Bürgerschaft damals nicht beraten.

„Den Einfluss der Wähler mal eben so zu senken, das ist nicht bürgernah. Statt jeden vierten können die Wähler in Zukunft vielleicht noch jeden neunten Kandidaten von unten nach oben wählen. Das wäre dann schon ein Rückschritt und eine Art Mogelpackung“ verdeutlicht Tober die Nachteile der geplanten Änderung.

2006 hatten über 70.000 Bürgerinnen und Bürger das neue Wahlrecht in einem Volksbegehren gefordert. Die Bürgerschaft hatte damals mit den Stimmen von SPD, CDU, Grünen und FDP den Vorschlag übernommen.