[34/06] Erstes erfolgreiches Volksbegehren in Bremen
Bremen. Zum ersten Mal überspringt ein Volksbegehren im Bundesland Bremen die Unterschriftenhürde von 10 % der Wahlberechtigten. Über 71.000 Bremer und Bremerhavener haben das Volksbegehren "Mehr Demokratie beim Wählen" mit ihrer Unterschrift unterstützt. "Das ist ein deutliches Zeichen", freut sich Paul Tiefenbach, Vertrauensperson des Volksbegehrens. Bisherige Versuche der Volksgesetzgebung in Bremen scheiterten entweder im Antragsverfahren oder an der vergleichsweise hohen erforderlichen Unterschriftenzahl. "Das ist nicht nur ein gutes oder sehr gutes, sondern ein fantastisches Ergebnis", findet Paul Tiefenbach.
Damit bei der übernächsten Bürgerschaftswahl 2011 nach dem veränderten
Wahlrecht gewählt werden kann, fehlt noch die Zustimmung: vom Parlament
oder vom Volk. Zunächst wird der Gesetzentwurf dem Bremer Senat und der
Bürgerschaft zur Beratung und Beschlussfassung vorgelegt. Entweder stimmt
das Parlament zu oder es kommt im nächsten Jahr zum Volksentscheid.
"Wir gehen nicht davon aus, dass sich die Meinung der regierenden Parteien geändert hat und sie dem Gesetzentwurf zustimmen", sagt Paul Tiefenbach
von Mehr Demokratie e.V. Stimmt die Bürgerschaft nicht zu, entscheidet das
Volk selbst. Dann sind alle wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger per
Volksentscheid aufgefordert, selbst darüber abzustimmen, wie sie zukünftig
wählen wollen. Die Fristen im weiteren Verfahren sind so geregelt, dass
der Volksentscheid zeitgleich zur nächsten Bürgerschaftswahl stattfinden
kann. Um das Wahlrecht zu ändern, muss nicht nur eine Mehrheit der Abstimmenden zusammenkommen. Zusätzlich gibt es die Klausel, dass 25 %
aller Wahlberechtigten zustimmen müssen. In anderen Bundesländern (Bayern, Sachsen) reicht beim Volksentscheid die Mehrheit der Abstimmenden.
Unabhängig vom Ausgang der Wahlrechtsreform hat das Volksbegehren gezeigt, dass Änderungen bei der Volksgesetzgebung in Bremen sinnvoll und notwendig sind. "Dieses Volksbegehren war eine unglaubliche Anstrengung für viele Menschen, die sich enorm engagiert haben. Ohne das breite Bündnis aus
Organisationen, Vereinen und Parteien, ohne die vielen ehrenamtlichen
Sammlerinnen und Sammler und ohne die Solidarität von Menschen aus anderen Bundesländern wäre dieses Volksbegehren nicht möglich gewesen", resümiert Paul Tiefenbach.
So hat das Volksbegehren gezeigt, dass direkte Demokratie auch in Bremen
möglich ist, aber wirklich bügerfreundlich sind die Verfahren im kleinsten Bundesland nicht. Mehr Demokratie e.V. fordert deshalb, dass die Hürden
für Volksbegehren gesenkt werden. In Hamburg, Schleswig-Holstein und
Brandenburg liegt die Unterschriftenhürde bei 4-5 %, in anderen Bundesländern bei 8 %. Ebenso sollte das Ausführungsgesetz geändert
werden, um unnötige Stolpersteine, wie etwa formalistische Anforderungen
bei der Gestaltung der Unterschriftenlisten, zu vermeiden. Auch bei der
Finanzierung gibt es in anderen Bundesländern Regelungen, dass Initiativen
für das Zustandekommen eines Volksbegehrens eine angemessene Kostenerstattung erhalten. Das Volksbegehren in Bremen muss sich ausschließlich über private Spenden und Mitgliedsbeiträge finanzieren. Die
Kampagne für ein neues Wahlrecht hat etwa 75.000 Euro gekostet. "Demokratie kostet Geld. Aber dieses Geld war gut investiert. Wir haben
das erste erfolgreiche Volksbegehren in Bremen geschafft", sagt Paul
Tiefenbach. Noch ist die Kampagne nicht komplett finanziert. Dem Verein
Mehr Demokratie e.V. fehlen noch 10.000 Euro.