Bürgerentscheid: Krummhörn ist Landes-Bürgerentscheids-Meister.

[02/2024] Fachverband lobt und kritisiert Abstimmungsheft, sieht Reformbedarf

In der Gemeinde Krummhörn findet am 28. Januar der erste Bürgerentscheid des Jahres in Niedersachsen statt, zugleich der 145. Bürgerentscheid in der Geschichte des Bundeslandes.. Und es ist bereits der vierte der Gemeinde. „In der Krummhörn leben 0,15 Prozent der Menschen Niedersachsens, hier finden aber fast drei Prozent aller niedersächsischen Bürgerentscheide statt. Die direkt-demokratische Kultur ist in Niedersachsen noch ein bisschen unterentwickelt. In der Gemeinde Krummhörn scheint das ein wenig anders zu sein. Das ist erfreulich", sagt Dirk Schumacher, niedersächsischer Landessprecher des Fachverbands Mehr Demokratie.

Abstimmugsheft: Lob und Tadel
Die Stadt hat ein Abstimmungsheft mit Informationen über den Bürgerentscheid an alle Stimmberechtigten verschickt. Schumachers Bilanz fällt ambivalent aus: „Erst zum dritten Mal bei einem niedersächsischen Bürgerentscheid gab es ein Abstimmungsheft. Dafür hat die Stadt Lob verdient." Das Heft sei zwar ansprechend gestaltet und rufe zur Teilnahme auf .Allerdings sei es unausgewogen: Ein Text für das Bürgerbegehren, zwei dagegen. „Denn das Vorwort der Bürgermeisterin hat eine klare Tendenz", analysiert Schumacher.

Gutes Vorbild: Lüneburg
Als positives Beispiel eines gelungenen Abstimmungsheftes nennt Schumacher die Broschüre der Stadt Lüneburg zum Bürgerentscheid über die zukünftige Nutzung eines Luftsport-Landeplatzes. „Die Broschüre ist ansprechend gestaltet, sie enthält die Position der Initiatoren des Bürgerbegehrens, der Verwaltung und aller im Stadtrat vertretenen Parteien. Sie nimmt eine neutrale, aber demokratiefreundliche Haltung ein, weil sie die Bürgerinnen und Bürger auffordert, an der Abstimmung teilzunehmen. Und sie wurde an alle Abstimmungsberechtigten verschickt.

Abstimmungsheft sollte Pflicht sein
Abstimmungshefte ermöglichen es den Stimmberechtigten, sich umfassend und ausgewogen zu informieren. Sie werden vor einer Abstimmung an alle Haushalte verschickt. In der Schweiz und den USA sind sie üblich. „Abstimmungshefte sollten auch bei uns der Standard sein. Leider sind sie es nicht", weiß Schumacher. In Niedersachsen wurden bisher erst vor drei Bürgerentscheiden Abstimmungshefte verschickt. Schumacher sieht daher Reformbedarf: Das Land sollte die Kommunen verpflichten, bei jedem Bürgerentscheid ein neutrales Abstimmungsheft zu erstellen, an alle Stimmberechtigten zu verschicken und online zugänglich machen. Zudem bräuchte es klare Regeln, um die Neutralität sicher zu stellen, so Schumacher.

Demokratie-Turbo Bürgerentscheid
Bürgerentscheide sind für Schumacher ein Demokratie-Turbo. „Sie ermöglichen es den Menschen in Entscheidungen einzugreifen und saugen Frust auf. Nicht zuletzt nehmen sie Populisten den Wind aus den Segeln. ‚Die da oben' können eben doch nicht machen, was sie wollen, wenn die Bürgerinnen und Bürger mehrheitlich anderer Meinung sind." Das sei auch in der Debatte um die Grundschulen und Kitas der Fall: „Was ist das Beste für die Kleine? Diese Frage ist heftig umstritten, sonst wären nicht so viele Unterschriften zusammengekommen. Der Bürgerentscheid klärt den Konflikt", so Schumacher.

Bürgerentscheid Nummer 145
Der Bürgerentscheid in Krummhörn ist die Nummer 145. in der Geschichte Niedersachsens. Das geht aus der Statistik von Mehr Demokratie hervor. Ende Februar finden in Fürstenau und Anfang April in Goslar die Bürgerentscheide Nummer 146 respektive 147 statt. Damit sich das Anliegen eines Bürgerbegehrens im Bürgerentscheid durchsetzt, müssen zwanzig Prozent der Wahlberechtigten der letzten Kommunalwahl dem Bürgerbegehren zustimmen. „Außerdem muss es natürlich die Mehrheit sein" ergänzt Schumacher. In der Krummhörn liegt diese Zahl bei 2.056 Stimmen.


Niedersachsen belegt im Ranking von Mehr Demokratie seit Langem stets einen der hinteren Plätze. Schumacher: „Es gibt zu viele Themen, über die wir Bürgerinnen und Bürger nicht abstimmen dürfen. Auch die Hürden sind zu hoch. Die meisten Bundesländer sind deutlich bürgerfreundlicher."
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