Demokratiepaket am Donnerstag in der Bürgerschaft

[11/12] Mehr Demokratie zeigt sich erfreut über Fortschritte in Bremen

Bremen. Im Land Bremen stehen am Donnerstag vormittag eine ganze Reihe von Demokratiereformen auf der Tagesordnung der Bürgerschaft. Themen sind die Senkung der Hürden für Bürgeranträge (SPD und Bündnis 90/Die Grünen) und die Senkung der Hürden für verfassungsändernde Volksbegehren und Volksentscheide (von SPD, CDU und Grünen). Bei zwei weiteren Anträgen geht es um die Einführung obligatorischer Volksentscheide: Die CDU möchte bei Verfassungsänderungen Volksentscheide verpflichtend machen, während der Antrag von SPD und Bündnis90/Die Grünen dies bei der Privatisierung von „öffentlichen Unternehmen, die dem Gemeinwohl dienen“ vorsieht. Auch die Forderung nach der Einführung bundesweiter Volksentscheide, die durch die Debatte über die Euro-Rettungsmaßnahmen an Fahrt gewonnen hat, findet ein Echo in Bremen. So wird über einen Antrag von Rot-Grün, der den Senat auffordert, sich für die Einführung bundesweiter Volksentscheide einzusetzen, am Donnerstag ebenfalls abgestimmt. Der Verein Mehr Demokratie zeigt sich hocherfreut darüber, dass die Bremer Parteien sich weiter dem Ausbau der Demokratie widmen. Tim Weber, Landesgeschäftsführer von Mehr Demokratie Bremen/Niedersachsen: „Wir freuen uns über die Demokratiereformen. Dank der CDU-Initiative werden jetzt auch endlich die Hürden für Verfassungsänderungen gesenkt“. Der Verein begrüßt, dass Opposition und Regierungsmehrheit zumindest in Teilen zusammenarbeiten und den Wunsch nach mehr Mitsprache der Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen.

 

Als innovativ bewertet Mehr Demokratie die Einführung des verpflichtenden Volksentscheides bei Privatisierungen. Der von SPD und Grünen eingebrachte Vorschlag sieht vor, dass die Privatisierung von öffentlichem Eigentum nur dann erfolgen kann, wenn in einem Volksentscheid eine Mehrheit der Privatisierung zugestimmt hat. Eine derartige Regelung gebe es nach Angaben von Mehr Demokratie bundesweit in keiner anderen Landesverfassung. Würde die Bürgerschaft z.B. den Verkauf der Wohnungsbaugesellschaft „Gewoba“ beschließen, müsste in einem Volksentscheid erst eine Mehrheit für den Verkauf stimmen, damit dieser umgesetzt wird. Voraussetzung dafür, dass ein Volksentscheid stattfindet, ist, dass Unternehmen „einen wesentlichen Beitrag zum Gemeinwohl“ leisten. Die CDU, die diesen Vorschlag ablehnt, hat hingegen einen Antrag eingebracht, der vorsieht, Volksentscheide für Verfassungsänderungen verpflichtend zu machen. Vergleichbare Regeln gibt es bereits in Hessen und Bayern. In abgewandelter Form gab es das in Bremen bis 1994 schon einmal. Ein Vorhaben wie die Verlängerung der Wahlperiode wäre damit dem Volksentscheid unterworfen.

Tim Weber unterstützt den Antrag der CDU: „Obligatorische Volksentscheide sind ein wichtiges Instrument, um die Bürgerinnen und Bürger regelmäßig zu beteiligen“. Dass sich bisher keine Mehrheit für diesen Vorschlag der CDU abzeichnet, bedauert Mehr Demokratie. Oft gehe es bei Verfassungsänderungen um grundsätzliche Spielregeln, die das politische und gesellschaftliche Miteinander regeln. Deshalb seien obligatorische Volksentscheide eine sinnvolle Ergänzung zur Einleitung von Volksentscheiden durch die Bürgerinnen und Bürger per Volksbegehren.

 

Mit der Senkung der Hürden für verfassungsändernde Volksbegehren und Volksentscheide erfüllt die Bürgerschaft eine langjährige Forderung von Mehr Demokratie. Im Sommer 2009 konnten sich die Parteien nach langer Debatte letztendlich nicht auf eine moderate Hürdensenkung einigen. Dies wird nun nachgeholt: SPD und Grüne haben sich der Initiative der CDU angeschlossen. Für verfassungsändernde Volksbegehren müssen in Zukunft nur noch 10 statt 20 Prozent Unterschriften vorgelegt werden, für Volksentscheide ist nicht mehr die Zustimmung von 50 Prozent der Stimmberechtigten erforderlich, zukünftig reicht die Zustimmung von 40 Prozent. Bisher galten nur in Bayern, Hamburg und Thüringen beim Volksentscheid Zustimmungsquoren von weniger als 50 Prozent. In NRW gilt ein 50%-Beteiligungsquorum. Weber lobt die Bremer Pläne:„Auch wenn die Hürdensenkung nur bescheiden ausfällt, ist Bremen damit mutiger als andere Bundesländer“. In einer Vielzahl von Bundesländern gebe es weiter ein 50prozentiges Zustimmungsquorum bei verfassungsändernden Volksentscheiden.

 

Eine weitere Neuerung über die am Donnerstag beraten wird, ist die Internet-Eintragung bei Bürgeranträgen, angedacht ist diese Möglichkeit auch für Zulassungsanträgen zu Volksbegehren. Die Interneteintragung gibt es bisher nur bei Online-Petitionen (Deutscher Bundestag, Bremische Bürgerschaft) sowie bei der Europäischen Bürgerinitiative. Begründet wird dieser Vorschlag mit den guten Erfahrungen, die man man in Bremen mit der Online-Petition gemacht hat. Zusätzlich soll bei Bürgeranträgen die Unterschriftenhürde auf 5000 Unterschriften gesenkt werden, was ca. 1 Prozent der Einwohnerinnen und Einwohner des Landes Bremen entspricht. Dies sei nach Angaben von Mehr Demokratie eine deutliche Annäherung an die Hürden für Volksinitiativen in anderen Bundesländern, womit der Bürgerantrag vergleichbar sei. Bisher lag die Hürde bei ca. 12.000 Unterschriften.

 

Die rot-grüne Koalition spricht sich in einem Dringlichkeitsantrag außerdem dafür aus, bundesweite Volksentscheide einzuführen. In dem Antrag wird der Senat dazu aufgefordert, sich dafür einzusetzen. Neben Bremen hat dies bereits Schleswig-Holstein getan. Dort hat eine Volksinitative im vergangenen Jahr 25.000 Unterschriften dafür gesammelt. Die neue Landesregierung hat diese Forderung übernommen. Nun könnte es z.B. einen Antrag im Bundesrat geben, der sich für bundesweite Volksentscheide einsetzt.

 

Die Bremer Regierungsfraktionen setzen damit eine Reihe von Vorhaben um, die im Koalitionsvertrag der beiden Parteien im Mai 2011 verabredet wurden. Vorangegangen ist den neuen Reformvorhaben der Versuch, die Wahlperiode von vier auf fünf Jahre zu verlängern, was im Juni zu Diskussionen und Auseinandersetzungen innerhalb der Koalition geführt hat. Mehr Demokratie hatte in dieser Frage einen Volksentscheid gefordert.