Die Vorprüfung hält einer Prüfung nicht stand

[02/10] Mehr Demokratie kritisiert unzureichende Reform von Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden

Bremen. Im Mai 2009 wurde die Regelung für Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in der Niedersächsischen Gemeindeordnung (NGO) reformiert. Seitdem können die Initiatoren eines Bürgerbegehrens bei der Gemeinde beantragen, dass die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens vor Beginn der Unterschriftensammlung durch den Verwaltungsausschuss geprüft wird. Bisher passierte dies erst nach Einreichung der Unterschriften. Der Landtag versprach sich davon, dass der Anteil der unzulässigen Bürgerbegehren sinkt. Die Initiatoren sollten dadurch die Möglichkeit erhalten, im Fall der Unzulässigkeit einen neuen Anlauf starten zu können. Angestoßen wurde die Reform durch den ersten bundesweiten Bürgerbegehrens-Bericht von Mehr Demokratie e.V., der feststellte, dass der Anteil unzulässiger Bürgerbegehren in Niedersachsen bei ca. 44 Prozent liegt.

 

Nach einem Jahr zieht der Verein Mehr Demokratie nun eine erste vorläufige Bilanz dieser Gesetzesänderung. Zwischen 12. Mai 2009(Inkrafttreten) und 12. Mai 2010 wurden 20 Bürgerbegehren angezeigt. 12mal wurde keine Vorprüfung durchgeführt (60 Prozent), dreimal fand siestatt (15 Prozent) und in fünf Fällen (25 Prozent) ist dies unklar.Zweimal wurden Bürgerbegehren in der Vorprüfung für unzulässig erklärt, einmal für zulässig.

 

Aussagekräftige Zahlen über die Entwicklung des Anteils unzulässiger Bürgerbegehren sind aufgrund der geringen Nutzung der neuen Möglichkeit
noch nicht verfügbar. Einige Tendenzen sind aber schon erkennbar: so müssen Bürgerinitiativen einen Zeitverlust bei der Unterschriftensammlung einplanen, wenn sie auf das Ergebnis des Verwaltungsausschusses warten. Dies ist besonders in den Fällen schwierig, in denen die Sammelfrist nur 3 Monate beträgt (bei bekanntgemachten Ratsbeschlüssen). Es sind zwei Fälle bekannt, in denen deshalb auf die Vorprüfung verzichtet wurde. Klar ist auch, dass die
politische Wirkung der Unterschriftensammlung bei unzulässigen Bürgerbegehren entfällt. In eindeutigen Fällen wie in Buxtehude kann die Vorprüfung positiv wirken: durch die frühe Zulässigkeit eines Begehrens entsteht politischer Druck, schon vor der Unterschriftensammlung das Bürgerbegehren „abzubiegen“ (in Buxtehude kam es zu einem Kompromiss zwischen Rat und Bürgerinitiative).

 

Die Erwartung der Landtagsmehrheit, dass unzulässige Bürgerbegehren nun
einfach neu gestartet werden, wird sich nur selten erfüllen. Den Bürgerbegehrens-Vertretern werden vom Verwaltungsausschuss oft wenig
bürgerfreundlich formulierte Beurteilungen des Bürgerbegehrens mitgeteilt. Die Hürden, die zu überwinden sind, bleiben hoch, weil z.B. die Anforderungen an den Kostendeckungsvorschlag nicht einfach zu erfüllen sind. Tim Weber, Sprecher des Landesverbandes Bremen-Niedersachsen von Mehr Demokratie erklärt dazu: „Wer mehr zulässige Bürgerbegehren möchte, muss die Anforderungen erleichtern und die Hürden senken. Die Vorprüfung führt in der Regel zu einem früheren Aus für das Begehren. “

 

Mehr Demokratie fordert daher nach wie vor eine weitgehende Reform des
Bürgerbegehrens unter anderem mit
einer Senkung der Unterschriftenhürde, einer Erweiterung des Themenkataloges, die Einführung einer aufschiebenden Wirkung oder die Abschaffung des Kostendeckungsvorschlages. Anläßlich der Erarbeitung des geplanten Kommunalverfassungsgesetzes bietet sich die Gelegenheit, die demokratischen Rechte der Bürgerinnen und Bürger zu erweitern.

 

Mehr Demokratie e.V. ist ein Fachverband für direkte Demokratie in
Deutschland. Der seit 1988 bestehende Verein hat bundesweit 5600 Mitglieder und hat bereits mehrere demokratische Reformen angestoßen. Den Landesverband Bremen-Niedersachsen gibt es seit 1997. Im Jahr 2006 führte
dieser das Volksbegehren zur Reform des Bremischen Wahlrechts durch.  Weitere Informationen unter www.mehr-demokratie.de.