Doppelter Bürgerentscheid dreifach bemerkenswert

[PM 06/24] Fachverband: Abstimmungen zur Göttinger Radpolitik spannende Sache.

Parallel zur Europawahl am 9. Juni finden in Göttingen zwei Bürgerentscheide statt, die der Fachverband Mehr Demokratie aus drei Gründen für bemerkenswert hält.

  1. Es sind erst die Bürgerentscheide vier und fünf in einer niedersächsischen Großstadt. „Die direkte Demokratie findet bei uns zu 97 Prozent in kleinen und mittleren Gemeinden statt“, so Dirk Schumacher, niedersächsischer Landessprecher des Vereins. Insgesamt seien es die Bürgerentscheide Nr. 148 und 149 in Niedersachsen.
     
  2. Noch nie gab es in Niedersachsen zwei Bürgerentscheide in einer Kommune am gleichen Tag. In diesem Fall gab es zwei Bürgerbegehren zum gleichen Themenbereich von der gleichen Initiative. Dass es zwei Abstimmungen zu einem Thema gibt, sei im Süden der Republik häufiger der Fall, erläutert Schumacher. Allerdings gehe es dort in der Regel um konkurrierende Vorlagen, nicht, wie in Göttingen, zwei Bürgerentscheide ein und derselben Initiative.
     
  3. Bisher gab es bundesweit erst einen realen Rad-Bürgerentscheid, obwohl in den letzten Jahren Dutzende  einschlägige Bürgerbegehren gestartet wurden. Nun steigt die Zahl der Rad-Bürgerentscheide schlagartig auf drei. „Zwar nennen die Initiativen ihr Projekt stets Radentscheid. In der Regel aber reicht der Druck durch die Unterschriftensammlung aus, damit es zu einer Kompromisslösung mit der Lokalpolitik kommt. Diese Bürgerbegehren mündeten also in aller Regel nicht in einen Bürgerentscheid.“ Schumacher verweist auf das Beispiel Osnabrück, wo im letzten Jahr eine Radentscheid-Initiative ihre Forderungen auf diesem Weg weitestgehend durchsetzte. Gleiches passierte in Lüneburg.

All das mache den Göttinger Doppel-Bürgerentscheid zu einer interessanten Sache. Schumacher: „Ich bin gespannt auf den Ausgang. Gut, dass die Bürgerinnen und Bürger entscheiden dürfen.“  Die beiden Bürgerentscheide werden aber auch zeigen, wie gut oder schlecht die Bürgerentscheids-Regeln in Niedersachsen funktionieren.

In Göttingen habe es bislang vier Anläufe für ein Bürgerbegehren gegeben. Zuletzt gab es ein Bürgerbegehren für Klimaneutralität, das vom Rat übernommen wurde. Zuvor hatte die Unterschriftenprüfung ein Jahr gedauert. Zu einem Bürgerentscheid kam es in Göttingen bislang noch nie. 2010 gab es allerdings eine Bürgerbefragung zur Südspange, einer Umgehungsstraße.

Mehr Demokratie führt umfangreiche Statistiken zur direkten Demokratie in den Kommunen und Ländern Deutschlands, setzt sich für die Einführung des bundesweiten Volksentscheids ein und berät Initiativen, die Bürger- oder Volksbegehren sowie Beteiligungsverfahren starten wollen. Der 10.000 Mitglieder starke Verein arbeitet außerdem zu den Themen Bürgerbeteiligung (losbasierte Bürgerräte, Beteiligungs-Tool Consul), bürgerfreundliches Wahlrecht sowie zu Informationsfreiheit und Transparenz.

Hintergrund:

Liste aller bisherigen Bürgerentscheide in Niedersachsen