Göttinger Rad-Bürgerentscheide: Öffentliche Kosten-Debatte ist gut und wünschenswert.

[08/24] Verband lehnt Kostenschätzung auf Unterschriftenlisten und Abstimmungszetteln ab. Abstimmungsheft sollte verpflichtend sein.

In Göttingen finden am 9. Juni gleich zwei Bürgerentscheide statt. Abgestimmt wird über zwei Bürgerbegehren, deren Ziel die Förderung des Radverkehrs ist. Auf den Stimmzetteln ist, wie zuvor auf den Listen des Bürgerbegehrens, die vorgeschriebene offizielle Kostenschätzung abgedruckt. Nun ist über diese Zahl ein Streit entbrannt: Würde die Umsetzung der angestrebten Maßnahmen eher 32 oder eher 100 Millionen Euro kosten? 

Die BI wirft der Stadtspitze vor, mit einer falschen und überzogenen Zahl zu arbeiten. Die Stadt weist das von sich. Dirk Schumacher, Landessprecher von Mehr Demokratie in Niedersachsen dazu: „Die Debatte ist gut, denn die Kostenfrage muss öffentlich diskutiert werden. Die Zahl ist, wie immer umstritten. Es gibt keine allgemeingültige, seligmachende, geschweige denn exakte Zahl. Deshalb gehört dieses Zahl nicht auf Unterschriftenlisten und Stimmzettel.“

Konkret fordert Mehr Demokratie die Streichung der seit 2021 vorgeschriebenen Kostenschätzung. Die Kostenschätzung werde zu Beginn des Verfahrens erstellt und sei für Laien kaum überprüfbar. Aber die Bürgerinnen und Bürger läsen die Zahl. So gewinne die Zahl Einfluss auf das Abstimmungsverhalten. Dass das jetzige Verfahren nicht funktioniere, sehe man in Göttingen. Aber auch aus anderen Bundesländern seien Probleme bekannt.

Schumacher fordert, dass die Stadt vor einem Bürgerentscheid Abstimmungshefte an alle Abstimmungsberechtigten verschicken solle. In einem Abstimmungsheft kommen die wichtigsten Akteure zu Wort: Die Initiatorinnen und Initiatoren eines Bürgerbegehrens ebenso wie die Verwaltung und die Stadtratsfraktionen. „Die Kostenschätzung gehört ins Abstimmungsheft. Und da müssen alle zu Wort kommen, damit die Bürgerinnen und Bürger sich ein eigenes Bild machen können. Das heißt: Es wird mehr als eine Zahl veröffentlicht.“ 

In Bayern fänden jedes Jahr Dutzende Bürgerentscheide statt – ohne den Zwang zur Kostenschätzung. „Und es scheint zu funktionieren. Jedenfalls habe ich noch nichts von einer Pleitewelle in Bayern gehört.“ Letztlich sei es eine Frage der direkt-demokratischen Kultur: In Bayern habe sie sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt. In Niedersachsen nicht. „Noch nicht“, betont Schumacher. 

Die Radentscheide am 9. Juni in Göttingen sind die ersten Bürgerentscheide in der Stadt und bundesweit die Radentscheide zwei und drei. In der Regel münden „Radentscheide“, derer es bundesweit viele gibt, nicht in einem Bürgerentscheid. Vielmehr ist es häufig so, dass der Stadtrat wesentliche Forderungen übernimmt und ein Bürgerentscheid so hinfällig wird.