Lob und Kritik für die neue Kommunalverfassung

[33/10] Bürgerentscheide werden verbessert – Reformbedarf bleibt

Bremen/Hannover. Am heutigen Mittwoch soll vom niedersächsischen Landtag die neue Kommunalverfassung beschlossen werden. Sie fasst alle bisherigen kommunalrechtlichen Bestimmungen in einem Gesetz zusammen. Grundlegende Reformen enthält das neue Gesetz nicht, an einigen Stellen wurden aber Veränderungen vorgenommen. Der Verein Mehr Demokratie weist darauf hin, dass auch die Regeln für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide in der Kommunalverfassung enthalten sind. Wie Mehr Demokratie mitteilt, soll das Verfahren beim Bürgerentscheid teilweise verbessert werden: Bürgerentscheide werden zukünftig unter den gleichen Bedingungen wie Wahlen abgehalten. Die Bestimmungen für Bürgerbegehren bleiben dagegen nahezu unangetastet, obwohl dringender Reformbedarf besteht. Neu eingeführt wird die Bürgerbefragung auf Ortsteil- bzw. Stadtteilebene. Auf die Einführung von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Orts- und Stadtteilen wird allerdings verzichtet.

 

Lob erhält die Landtagsmehrheit von Mehr Demokratie für die gesetzliche Verankerung einheitlicher Bürgerentscheids-Bedingungen. Die neue Kommunalverfassung sieht vor, dass Bürgerentscheide in Zukunft wie Wahlen durchgeführt werden. In der Vergangenheit konnten die Kommunen die Bürgerentscheids-Bedingungen selbst festlegen. Das führte vielfach dazu, dass auf den Versand von Abstimmungsbenachrichtigungen und auf die Briefabstimmung verzichtet wurde. Auch die Zahl und die Öffnungszeiten der Abstimmungslokale wurde gegenüber der Kommunalwahl z.T. deutlich reduziert. Im Ergebnis führte dies zu einer unterdurchschnittlichen Abstimmungsbeteiligung und einer Vielzahl von Bürgerentscheiden, die am 25-Prozent-Zustimmungsquorum gescheitert sind. Die schlechten Bedingungen waren immer wieder ein Zankapfel zwischen Initiativen und Stadtverwaltungen. Mehr Demokratie hatte diese Mängel jahrelang kritisiert. Tim Weber, Geschäftsführer des Landesverbandes Bremen/Niedersachsen, bewertet die Reform so: „Es hat zwar 15 Jahre gedauert, aber immerhin werden Bürgerentscheide Wahlen gleichgestellt – ein selbstverständlicher, aber für Niedersachsen großer Schritt.“

 

Mehr Demokratie kritisiert, dass bekannte Mängel bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheid nicht behoben werden. Auch in der neuen Kommunalverfassung gibt es die Hürden Themenausschluss und Kostendeckungsvorschlag: Themenausschlüsse verhindern Bürgerbegehren zu vielen kommunalpolitisch interessanten Fragen. Die Anforderungen an die Erstellung eines Kostendeckungsvorschlages sind eine nur schwer überwindbare Hürde für die Bürgerinnen und Bürger. Weitere Kritikpunkte: Die aufschiebende Wirkung beim Bürgerbegehren fehlt, so dass während eines laufenden Bürgerbegehrens von der Gemeinde Tatsachen geschaffen werden können, die einen Erfolg des Bürgerbegehrens verhindern. Auch das Unterschriftenquorum und das Abstimmungsquorum beim Bürgerentscheid sind nach wie vor deutlich zu hoch. In dem im September veröffentlichten dritten Volksentscheids-Ranking belegt Niedersachsen folgerichtig den drittletzten Platz. Dazu Tim Weber: „An entscheidende Fragen hat sich die Koalition nicht heran getraut.“

 

Positiv bewertet der Verein die Einführung von Bürgerbefragungen auf Ortsrats- und Stadtbezirksebene. Bürgerbefragungen sind unverbindliche Befragungen, dessen Durchführung der Rat beschließen kann. Bisher waren dies nur auf Gemeindeebene möglich. Damit kommt der Landtag den Forderungen von Mehr Demokratie in zwei Punkten entgegen. Sowohl die Verbesserung der Bürgerentscheids-Bedingungen als auch die Einführung von Bürgerbefragungen in Orts- und Stadtteilen hatte Mehr Demokratie in seiner Stellungnahme zur neuen Kommunalverfassung im August 2010 gefordert.

 

Im Zusammenhang mit der neuen Kommunalverfassung wurde auch die Stichwahl bei Bürgermeister- und Landratswahlen abgeschafft. Dies wurde bereits im November beschlossen. Mehr Demokratie hatte zusammen mit acht anderen Organisationen im September einen Aufruf gestartet, der sich gegen diese Pläne richtete.