Mehr Demokratie legt neuen Volksbegehrensbericht vor

[32/08] Rekordjahr 2007 - Direkte Demokratie boomt

Hannover/Berlin.

Mit 43 laufenden und 27 neuen Volksbegehren und -initiativen war 2007 ein Rekordjahr für die direkte Demokratie in Deutschland. Das ergab der Volksbegehrensbericht 2007, für den der Verein Mehr Demokratie die von den Bürgern eingeleiteten Verfahren auf Landesebene untersucht hat.

 

„Noch nie zuvor hat es in der Bundesrepublik einen derartigen Boom der Bürgerbeteiligung auf Landesebene gegeben“, sagt Gerald Häfner, Vorstandssprecher von Mehr Demokratie in Berlin. Der bisherige Rekord von 23 Verfahren wurde im Jahr 1997 erreicht – kurze Zeit, nachdem auch die letzten Bundesländer direkte Demokratie auf Landesebene eingeführt hatten. „Dass dieser Wert 2007 noch übertroffen wurde, zeigt das wachsende Bedürfnis der Bürger, auch zwischen den Wahlen in Sachfragen mitzuentscheiden“, folgert Häfner.

 

Die rege Nutzung von Volksbegehren und -initiativen ist nach Ansicht von Mehr Demokratie aber auch von der bürgerfreundlichen Ausgestaltung der Verfahren abhängig. Dies werde besonders deutlich an Berlin. Mit sieben neuen Verfahren 2007 ist das Land Berlin bundesweit Spitzenreiter, gefolgt von Hamburg mit drei neuen Verfahren. Über einen längeren Zeitraum betrachtet bleibt das Bundesland mit den meisten Volksbegehren und -initiativen Bayern, das 1946 als eines der ersten Länder direktdemokratische Verfahren einführte.

 

Mehr Demokratie sieht allerdings noch Verbesserungsbedarf, was die Ausgestaltung der Verfahren angeht. Zwei Drittel aller Volksbegehren scheitern bereits in der ersten Stufe an hohen Hürden, kurzen Fristen oder Themenausschlüssen. Von den 55 Verfahren, die es bisher bis zur zweiten Stufe, dem eigentlichen Volksbegehren, schafften, wurden wiederum 60 Prozent durch Unterschriftenhürden zu Fall gebracht. In nur fünf Bundesländern haben die Anträge der Bevölkerung bisher zu einem Volksentscheid geführt.

 

In Niedersachsen fand seit Einführung des Instruments im Jahre 1993 noch kein einziger Volksentscheid statt. Von den sieben bisher beantragten Volksbegehren schaffte nur eines die erforderliche Unterschriftenzahl. „Wir hinken dem bundesweiten Trend leider weit hinterher“, kritisiert Tim Weber vom Landesverband Bremen-Niedersachsen. Dies führt Weber auf die schlechten Regelungen zurück. Vor allem die Unterschriftenhürde sei mit 10 Prozent viel zu hoch. In sechs Bundesländern gelte ein niedrigeres Unterschriftenquorum, was in Berlin, Hamburg, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern zu einer intensiven Praxis geführt hat. Auch das geltende Zustimmungsquorum von 25 Prozent (einfache Gesetze) und 50 Prozent (Verfassungsänderungen) ist dem Verein zufolge zu hoch. Demnach reiche beim Volksentscheid keine Mehrheit der Abstimmenden, sondern gleichzeitig muss ein Viertel bzw. die Hälfte aller Wahlberechtigten zustimmen. Die Erfahrungen aus den anderen Bundesländern zeigen, dass solche Hürden nur mit der Zusammenlegung einer Wahl zu schaffen sind. Fünf Bundesländer sehen für einfache Gesetze gar keine Zustimmungsquoren (Bayern, Hessen, Sachsen) oder niedrigere Quoren vor (NRW, Hamburg).

 

„Wenn mehr direkte Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger gewollt ist, muss die Regelung reformiert werden. Denn zu hohe Quoren verhindern demokratische Teilhabe. Wenn die Hürden unüberwindbar erscheinen braucht man sich nicht zu wundern, dass selten jemand zum Lauf an den Start geht“, so Tim Weber.

 

Den Volksbegehrensbericht als PDF-Datei und eine Zusammenfassung finden Sie hier:

bremen-nds.mehr-demokratie.de/hb_nds_presse.html

Eine Übersicht bisheriger Volksbegehren in Niedersachsen:

bremen-nds.mehr-demokratie.de/1937.html

Zu den Reformvorschlägen des Landesverbands:

bremen-nds.mehr-demokratie.de/nds_reformen_ve.html