Mehr Demokratie startet Aufruf für Stichwahl

[18/10] SPD, DGB und Grüne unterstützen Forderung

Bremen/Hannover. Der Verein Mehr Demokratie startet heute seinen Aufruf „Sagen Sie Ja zu demokratischen Wahlen! Nein zur Abschaffung der Stichwahl!“. Auf der Internetseite des Vereins können alle, die die geplante Abschaffung der Stichwahl ablehnen, den Aufruf unterstützen. Der Landesverband Bremen-Niedersachsen des bundesweit tätigen Vereins fordert die Landesregierung dazu auf, die Pläne zur Abschaffung der Stichwahl fallen zu lassen oder demokratische Alternativen dazu zu entwickeln. Unterstützt wird der Aufruf von der SPD, Bündnis 90/Grüne, dem DGB und der Aktion Wahlreform. Die gesammelten Unterschriften sollen noch vor der abschließenden Behandlung im Landtag Anfang November öffentlichkeitswirksam überreicht werden.

 

Der DGB-Vorsitzende Hartmut Tölle kritisiert: „Der DGB ist gegen die Abschaffung der Stichwahl. Denn ohne sie gibt es keine Gewähr dafür, dass der oder die Gewählte den Willen der Mehrheit der Wähler verkörpert.“ Anja Piel, Vorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, sieht die Chancengleichheit der Parteien verletzt: „Wer die Stichwahl bei Landrats- oder Bürgermeister- wahlen abschaffen will, tut dies, um kleinere Parteien im ersten Wahlgang auszuhebeln.“ Der SPD-Vorsitzende Olaf Lies ergänzt: „Bürgermeister und Landräte bekleiden herausragende Positionen und benötigen eine breite Unterstützung von den Bürgern, für die sie arbeiten. Deshalb muss die Stichwahl bleiben.“

 

Die Landesregierung behauptet, der Verzicht auf einen zweiten Wahlgang bedeute mehr Legitimation und verspricht sich von ihren Plänen Kosteneinsparungen für die Gemeinden und Landkreise. Sie bemängelt die niedrige Wahlbeteiligung im zweiten Wahlgang und argumentiert, dass dadurch die Legitimation leide. Mehr Demokratie verweist auf die lange Amtsdauer von acht Jahren und die Möglichkeit, dass Bürgermeister und Landräte ins Amt kommen, die nur von 20 Prozent der Wählerinnen und Wähler unterstützt wurden. Wenn der zweite Wahlgang beseitigt werde, würde vielen Bürgern die Chance genommen, den Bürgermeister oder Landrat direkt zu wählen. In 35 Prozent der Fälle, so die Landesregierung, erhalte der Gewinner weniger Zustimmung bezogen auf alle Wähler als der Erstplatzierte im ersten Wahlgang. Die Beteiligung sei zwar im zweiten Wahlgang durchschnittlich niedriger, aber die Zustimmung bezogen auf alle Wähler sei in der Regel höher. „In 65 Prozent der Fälle bekommen die Wahlsieger im zweiten Wahlgang mehr Stimmen als im ersten Wahlgang“ erklärt Tim Weber, Geschäftsführer des Vereins.

 

Die Oberbürgermeister Stefan Weil (Hannover), Boris Pistorius (Osnabrück) und Dirk-Ulrich Mende (Celle) unterstützen den Aufruf. Der unabhängige Kandidat für das Amt des Oberbürgermeisters der Stadt Lingen, Dieter Krone hat sich ebenfalls für die Beibehaltung der Stichwahl ausgesprochen. „Wir erwarten, dass noch weitere Bürgermeister und Landräte sich unserer Forderung anschließen, denn selbst in den Koalitionsparteien ist dieses Vorhaben umstritten. Eine Wahl weniger bedeutet auch weniger Demokratie“ so Weber.

 

CDU und FDP haben den Gesetzentwurf eines Kommunalverfassungsgesetzes in den Landtag eingebracht, der zum 1.11.2011, dem Beginn der neuen Wahlperiode aller niedersächsischen Kommunalparlamente, in Kraft treten soll. In diesem Gesetz ist unter anderem die Abschaffung der Stichwahlen bei den direkt gewählten Hauptverwaltungsbeamten vorgesehen. Neben den Unterstützern dieses Aufrufes haben sich auch zwei von drei kommunalen Spitzenverbänden gegen die Abschaffung der Stichwahl ausgesprochen.