Mehr Demokratie startet „Faire Bürgerentscheide in Niedersachsen“

[13/14] Tourstart in Hannover – Verein besucht im Juni und Juli 15 Orte

Der Verein Mehr Demokratie hat heute in Hannover die Kampagne „Faire Bürgerentscheide in Niedersachsen“ gestartet. Mit einem 4 Meter hohen Demokratiewürfel als Blickfang wirbt Mehr Demokratie dafür, Bürgerentscheide in Niedersachsen deutlich zu vereinfachen. Im Rahmen der Kampagne will der Verein bis zum Herbst 5000 Unterschriften für einen Aufruf sammeln, um seiner Forderung nach einer Reform Nachdruck zu verleihen. Um mit Bürgern und Abgeordneten ins Gespräch zu kommen und die nötigen Unterschriften zu sammeln, werden im Juni und Juli 15 Orte besucht. Die Tour soll nach der Sommerpause fortgesetzt werden. Zum Auftakt der Kampagne wird der Aufruftext an Abgeordnete des Niedersächsischen Landtags übergeben.

Die Forderung von Mehr Demokratie, Bürgerentscheide in Niedersachsen zu vereinfachen, resultiert aus dem schlechten Abschneiden Niedersachsens im Demokratie-Ranking. Die Regelungen für Bürgerbegehren und Bürgerentscheid wurde dort so schlecht bewertet, dass Niedersachsen im Vergleich aller Bundesländer nur auf dem viertletzten Platz landet. Mit Blick auf anstehende Reformen in anderen Bundesländern befürchtet Mehr Demokratie beim nächsten Ranking im Jahr 2015 ein weiteres Abrutschen, sollte es auch weiterhin keine Reformen in Niedersachsen geben. In der Praxis finden in Niedersachsen sehr viel weniger Bürgerentscheide als z.B. in Bayern statt. „Niedersachsen steht auf dem Papier und in der Praxis als Verlierer da, “ erläutert Tim Weber, Landesgeschäftsführer von Mehr Demokratie in Niedersachsen.

Entscheidend ist für Mehr Demokratie die Öffnung des bisher restriktiven Themenkataloges. Erst durch eine Öffnung könne die Zahl der Bürgerbegehren deutlich gesteigert werden. So seien bislang Bürgerbegehren zu vielen Bauprojekten nicht zulässig, weil Bebauungspläne berührt werden. Tim Weber erläutert: „Bürgerbegehren, die Biogasanlagen, Windenergieanlagen, Verkehrs- oder Stadtplanungsprojekte zum Thema haben, sind in Niedersachsen praktisch verboten“. Sobald der Rat bei solchen Fragen einen Aufstellungsbeschluss gefasst habe, sei Schluss mit dem Bürgerbegehren. In Buxtehude ist im vergangenen Jahr ein Bürgerbegehren diesem Themenausschluss zum Opfer gefallen, das sich gegen Planungen für den zukünftigen Hochwasserschutz wendete. Die Bürger wollten die Pläne verhindern, die Stadt ist dem Bürgerentscheid jedoch durch den Aufstellungsbeschluss zuvorgekommen, so Mehr Demokratie. Weber verweist auf Bayern:„Sowas gibt es in Bayern nicht, das erklärt die hohe Zahl der Bürgerentscheide dort.“

In Bayern, das Bürgerbegehren und Bürgerentscheide nur ein Jahr vor Niedersachsen eingeführt habe, gebe es auffällig mehr Bürgerbegehren und Bürgerentscheide. Während es in Niedersachsen 87 Bürgerentscheide gegeben habe, seien es in Bayern über 1500 gewesen. Auch die Quote unzulässiger Bürgerbegehren sei in Niedersachsen viel zu hoch. Dieser Anteil liege bei fast 44 Prozent, während der Anteil der unzulässigen Bürgerbegehren in Bayern bei nur 15 Prozent liege. „Die Zahlen zeigen: in Niedersachsen müssen die Hürden runter, damit mehr Bürgerentscheide stattfinden könne“ erklärt Weber. Ein Bürgerbegehren gleiche einem Hindernislauf, bei dem nur etwas mehr als die Hälfte der Läufer ins Ziel kommen. „Nach dem Zieleinlauf wird dann noch ein Drittel der Läufer disqualifiziert, weil sie das Zustimmungsquorum verfehlt haben. Das ist absurd“ weist Weber auf das 25 Prozent-Zustimmungsquorum hin, das bei Bürgerentscheiden gelte. Mehr Demokratie fordert neben der Streichung dieses Quorums die Senkung des Unterschriftenquorums beim Bürgerbegehren, die Streichung des Kostendeckungsvorschlages, die Erweiterung des Themenkataloges sowie die Einführung eines Infoheftes beim Bürgerentscheid.

Unterstützt wird die Kampagne „Faire Bürgerentscheide“ von der Umweltorganisation NABU Niedersachsen, von JANUN e.V., dem niedersächsischen Jugendumweltnetzwerk und dem niedersächsischen BUND. Auch zwei Hochschulprofessoren aus Osnabrück befürworten das Anliegen von Mehr Demokratie. Prof. Hermann Heußner sagt: „Niedersachsen braucht faire Bürgerentscheide. Dazu gehört es, über Großprojekte abstimmen zu können. Die Unterschriftenzahl für ein Bürgerbegehren muss gesenkt werden. Und zur Information der Bürgerinnen ist vor dem Bürgerentscheid ein sachliches und ausführliches Abstimmungsheft an alle Stimmberechtigten zu verschicken.“ Auch sein Kollege Prof. Arne Pautsch befürwortet eine Reform: „Bürgerbegehren und Bürgerentscheid beleben die kommunale Selbstverwaltung. Sie bedürfen aber fairer Ausgangsbedingungen. Für die direkte Demokratie auf kommunaler Ebene dürfen daher keine höheren Legitimationsbedingungen gelten als die für die gewählten kommunalen Vertretungsorgane bestehenden Anforderungen. Hier besteht in Niedersachsen gesetzgeberischer Handlungsbedarf.“

Zum Tourstart in Hannover hatte Mehr Demokratie den Demokratiewürfel zunächst vor dem Hauptbahnhof in Hannover aufgebaut, um dann vor den Landtag zu wechseln. Dort wurde mittags Abgeordneten des Landtags, Meta Janssen-Kucz und Belit Onay (Bündnis90/Die Grünen) und Jan-Christoph Oetjen (FDP) sowie Ulrich Watermann (SPD), der Text des Aufrufes übergeben, für den Mehr Demokratie in den kommenden Wochen 5000 Unterschriften sammeln will. An den insgesamt 15 Tourstationen will Mehr Demokratie neben Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern auch mit Abgeordneten sprechen.

Wie Mehr Demokratie abschließend erläutert, sei von Rot-Grün eine Reform von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid geplant. Laut Koalitionsvertrag ist eine deutliche Senkung der Hürden geplant, eine Erweiterung der möglichen Themen soll geprüft werden.

Informationen zur Kampagne, alle Tourtermine etc.:

 

bremen-nds.mehr-demokratie.de/faire-be-in-nds.html