Mündliche Verhandlung vor dem Staatsgerichtshof:

[14/09] Wiedereinführung der Fünf-Prozent-Klausel zulässig?

Bremen.

Die geplante Wiedereinführung der Fünf-Prozent-Klausel bei der Wahl zur Stadtverordnetenversammlung in Bremerhaven war heute Gegenstand einer mündlichen Verhandlung vor dem Bremer Staatsgerichtshof. Die Bremische Bürgerschaft hatte Anfang Juni 2008 die Wiedereinführung der Fünf-Prozent-Klausel in erster Lesung beschlossen und das Gesetz an den zuständigen Ausschuss zur weiteren Beratung weitergeleitet. Dieser hat der Bürgerschaft die Prüfung durch den Staatsgerichtshof empfohlen, da die verfassungsrechtliche Zulässigkeit im Ausschuss umstritten war.

 

Als Gründe für eine Wiedereinführung der Sperrklausel wird v.a. Die Ungleichbehandlung mit der Stadtbürgerschaft in Bremen und eine drohende Funktionsunfähigkeit der Stadtverordnetenversammlung ins Feld geführt. Mehrere (landes)verfassungsgerichtliche Entscheidungen haben jedoch deutlich gemacht, dass die 5-Prozent-Klausel die Chancengleichheit der Parteien und die Wahlgleichheit einschränke. Ein Eingriff in diese Grundsätze sei nur zulässig, wenn nachgewiesen werden könne, dass die Funktionsunfähigkeit des Kommunalparlaments mit einiger Wahrscheinlichkeit eintreten werde.

 

Aus Sicht von Mehr Demokratie wurde dieser Nachweis in der heutigen Verhandlung nicht erbracht. Der Stadtverordnetenvorsteher Herr Beneken verwies auf die Schwierigkeiten der Mehrheitsbildung, die aber in jeder lebendigen Demokratie zum Alltag gehören. Seine Ausführungen deuteten vielmehr auf die Sorge einer Einschränkung der Bequemlichkeit der

etablierten Parteien hin, denn auf die Gefahr einer Funktionsunfähigkeit der Stadtverordnetenversammlung. Aus den Fragen der Richter wurde zudem deutlich, dass man selbst für den Fall einer Funktionsstörung des Kommunalparlaments Alternativen zur Fünf-Prozent-Klausel prüfen könne. Eine Antwort auf die Frage, welche neuen fundierten Überlegungen seit der Abschaffung der Sperrklausel im Dezember 2006 zu deren geplanten Wiedereinführung geführt hätten, lieferten die Anzuhörenden nicht. Die Vertreter der Koalitionsfraktionen (Herr Tschöpe und Herr Willmann), sowie die Vertreterin der Bürgerschaft (Frau Marlis Grotheer-Hüneke), trugen mit ihren Beiträgen nicht zur verfassungsrechtlichen Klärung der Frage bei. Während sich die Koalitionsvertreter ausschließlich dem Mehrheitswillen aus Bremerhaven anschlossen, verwies die Bürgerschafts-Vertreterin auf die Stellungnahme des nichtständigen Ausschusses.

 

Mehr Demokratie bedauert, dass die Frage der Organtreue nur eine untergeordnete Rolle in der Verhandlung gespielt hat. Demnach müssen sich die beiden Gesetzgeber "Parlament" und "Volk" gegenseitig respektieren. Aus demokratischer Perspektive sei untragbar, dass ein von den Bürgerinnen und Bürgern auf den Weg gebrachtes Gesetz, das die Bürgerschaft mit großer Mehrheit übernommen hat, nach wenigen Jahren wieder geändert wird, ohne es auch nur einmal angewendet zu haben. Mehr Demokratie kritisiert außerdem die Einschätzung des SPD-Abgeordneten Tschöpes, dass die Streichung der Fünf-Prozent-Klausel nicht das Hauptanliegen des Volksbegehrens gewesen sei. "Die Vorschläge des Volksbegehrens waren eindeutig", so Paul Tiefenbach, Sprecher von Mehr Demokratie.

 

Am 12. Mai um 10 Uhr wird die Entscheidung des Bremer Staatsgerichtshofs erwartet. "Wir sind guter Hoffnung, dass das Gericht die geplante Wiedereinführung der 5-Prozent-Hürde für verfassungswidrig erklärt. Die Anhörung hat gezeigt, dass dies nicht ohne Weiteres möglich ist", so Tiefenbach weiter.

 

 

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