Premiere in Niedersachsen: die ersten Landkreis-Bürgerentscheide

[29/09] Parallel zur Europawahl - aber keine Briefabstimmung

Rotenburg/Holzminden/Bremen. In den Landkreisen Rotenburg/Wümme und Holzminden finden am Sonntag parallel zur Europawahl Bürgerentscheide statt. Es sind die ersten landkreisweiten Bürgerentscheide in Niedersachsen seit Einführung der direkten Bürgerbeteiligung 1996. Im Landkreis Holzminden möchte ein Bündnis aus SPD, Grünen, Gewerkschaften und Mietervereinen die Privatisierung der Abfallwirtschaftsbetriebe verhindern. Im Landkreis Rotenburg wollen Bürgerinitiativen aus mehreren Orten des Landkreises eine wohnortnahe Versorgung mit Rettungswachen sicherstellen. Beide Initiativen hatten zuvor mehrere Tausend Unterschriften für die Durchführung der Bürgerentscheide gesammelt.

 

Die an sich positive Zusammenlegung mit der Europawahl wird überschattet von der fehlenden Briefabstimmungsmöglichkeit in beiden Landkreisen. Der Landrat begründete dies heute im „Weser-Kurier“ mit der Tatsache, dass die Bürgerinitiativen keine Briefabstimmung beantragt hätten. Dirk Schumacher vom Verein Mehr Demokratie dazu: “Der Kreisausschuss hätte die Briefabstimmung beschließen können. Eine solch fadenscheinige Begründung für schlechte Abstimmungsbedingungen ist uns noch nie untergekommen.“ Eine gesetzliche Grundlage für die Durchführung von Bürgerentscheiden gäbe es in Niedersachsen nicht, jeder Landkreis müsse die rechtliche Grundlage zur Durchführung von Bürgerentscheiden selbst beschließen, so Schumacher weiter. „Mit ein wenig gutem Willen hätte es am Sonntag auch die Briefabstimmung geben können. Die Initiative hätte sicher nichts dagegen gehabt.“

 

Damit die Bürgerentscheide gültig sind, muß eine Mehrheit der Abstimmenden mit „Ja“ stimmen. Diese Mehrheit muß gleichzeitig jeweils 25 Prozent der am Sonntag Abstimmungsberechtigten entsprechen. Im Landkreis Rotenburg wären das 33.419 Stimmen, im Landkreis Holzminden 15.640 Stimmen. Für beide Bürgerbegehren haben zuvor jeweils mehr als zehn Prozent der bei der letzten Kommunalwahl 2006 Wahlberechtigten unterschrieben.

 

Mehr Demokratie e.V. setzt sich für eine Senkung der Hürden bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden in Niedersachsen ein. Es müsse endlich eine landesweite Durchführungverordnung erlassen werden, damit faire Abstimmungsbedingungen herrschten. „Die Bedingungen bei Bürgerentscheiden sollten selbstverständlich denen bei Wahlen entsprechen.“ erklärt Dirk Schumacher. Nur so könnten die hohen Hürden bei Bürgerentscheiden überhaupt genommen werden, begründet er die Forderung des bundesweit tätigen Vereins.