Pressekonferenz: Abschaffung der Stichwahl in Niedersachsen

[25/10] Viele Argumente für Beibehaltung

Bremen/Hannover. In Hannover fand heute eine Pressekonferenz zum Thema Abschaffung der Stichwahlen statt. Teilnehmer waren Olaf Lies (SPD), Lars Niggemeyer (DGB) Anja Piel (Bündnis 90/Die Grünen) und Tim Weber (Mehr Demokratie). Sie präsentierten Hintergründe und Forderungen zur Beibehaltung der Stichwahl bei den Bürgermeister- und Landratswahlen in Niedersachsen.

 

Olaf Lies äußerte sich wie folgt zu den von der Landesregierung angegebenen Gründen zur Abschaffung der Stichwahl: "CDU und FDP haben einen Kuhhandel zu Lasten der Demokratie in Niedersachsen vereinbart: Wegfall der Stichwahl für die CDU gegen größere Wahlbereiche für die FDP. Beide Maßnahmen zielen nur darauf ab, die spezifischen Schwächen von CDU und FDP bei den Kommunalwahlen zu beseitigen. Die CDU verspricht sich parteipolitischen Profit, weil die CDU-Kandidaten bei den meisten Stichwahlen in der Vergangenheit den Kürzeren gezogen haben. Die FPD erhofft sich Vorteile von größeren Wahlbereichszuschnitten, weil sie nur wenige Kandidaten mit Strahlkraft aufbieten kann. Dabei liegt die Notwendigkeit von Stichwahlen auf der Hand: Bei jeder vierten Direktwahl gab es 2006 im ersten Wahlgang keinen klaren Sieger. Wenn ein zweiter Wahlgang stattfindet, erhöht das in jedem Fall die Legitimation. Wer den dritt- oder viertplatzierten gewählt hat, kann in der Stichwahl über den neuen Bürgermeister mitentscheiden. Wir müssen mehr aktive Demokraten für die Politik begeistern. Das Sparen an der Demokratie aus Kostengründen sorgt dafür, dass Menschen sich abwenden. Das haben auch Bürgermeister und Landräte erkannt, die den Aufruf gegen die Abschaffung der Stichwahl unterstützen. Das neue Kommunalverfassungsgesetz ist auch deshalb schlecht, weil es die Kommunen durch die neuen Klagemöglichkeiten privater Unternehmen durch die Änderungen im Gemeindewirtschaftsrecht erheblich schwächt.“

 

Lars Niggemeyer legt dar, dass die von der Landesregierung vorgelegten Zahlen nicht stichhaltig sind: „Ohne die Stichwahlen hätten wir in Niedersachsen heute 26 Bürgermeister bzw. Landräte, die für ihre achtjährige Amtszeit keine Mehrheit der Wählerinnen und Wähler hinter sich haben. Die Stichwahl soll nach dem Willen der Regierung fallen, weil in 35 Prozent der Fälle die Zustimmung aller Wahlberechtigten für den Gewinner der Stichwahl geringer war als für den Erstplatzierten des ersten Wahlganges. Was die Regierung verschweigt: In 65 Prozent war die Zustimmung aller Wahlberechtigen für den Gewinner der Stichwahl höher war als für den Erstplatzierten des ersten Wahlganges. Ohne Stichwahl gibt es keine Gewähr dafür, dass der oder die Gewählte den Willen der Mehrheit der Wähler verkörpert.“

 

Anja Piel, Landesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen hält die Abschaffung der Stichwahl für wenig demokratiefreundlich: "Der Ausgang der OB-Wahl in Lingen ist ein gutes Beispiel; hätte es hier bereits keine Stichwahl mehr gegeben, so regierte hier jetzt ein Minderheitenkandidat, ein schlechtes Signal in Zeiten zunehmender Politikverdrossenheit. In Thüringen und Nordrhein-Westfalen wurde der Fehler gemacht, den Wahlmodus im Alleingang zu ändern, Thüringen hat den Fehler bereits korrigiert, die Wiedereinführung der Stichwahl in NRW ist Bestandteil der rot-grünen Koalitionsvereinbarungen und wird auch dort umgehend umgesetzt. In Niedersachsen lehnen Opposition und zwei der drei kommunalen Spitzenverbände die Abschaffung ab, CDU und FDP sollten sich von ihren absurden Plänen verabschieden, noch ist Zeit dafür."

 

Tim Weber erklärt abschließend: „Es gibt es viele gute Argumente für die Stichwahl und kaum Argumente gegen sie. Wir haben im September einen Aufruf gestartet, der die Beibehaltung oder demokratische Alternativen fordert. Mittlerweile unterstützen acht Organisationen den Aufruf, über 1.300 Menschen haben ihn unterzeichnet. Eine demokratische Alternative wäre z.B. die integrierte Stichwahl, bei der die Wählerinnen und Wähler Plätze vergeben können, ein zweiter Wahlgang würde dadurch wegfallen. Die Unterschriften des Aufrufs wollen wir im November überreichen. Für jeden Unterzeichner gibt es eine Reißzwecke, damit die Landesregierung merkt, dass die Abschaffung der Stichwahl der Demokratie weh tut.“