In der Debatte über das "gescheiterte" Bürgerbegehren zum Rathausbau meldet sich jetzt der Fachverband Mehr Demokratie e.V. zu Wort. Erneut habe ein Bürgerbegehren in einer niedersächsischen Kommune wegen eines sogenannten Themenausschlusses nicht stattfinden können, ärgert sich Dirk Schumacher, niedersächsischer Landessprecher von Mehr Demokratie. Das sei leider nicht unüblich: „Niedersachsen hat einen der größten Negativkataloge in ganz Deutschland.“ Doch aus zwei Gründen sei dieser Fall speziell.
Schlechte Begründung, schlechte Beratung
Erstens: „Die Begründung der Gemeinde ist sehr floskelhaft. Es wird nicht klar, warum der Themenausschluss im konkreten Fall greifen soll. Etwas mehr Mühe hätte der teuer bezahlte Anwalt sich schon geben können.“ Ob die Argumentation gerichtsfest sei, bezweifelt Schumacher.
Zweitens habe die Gemeinde die Initiatorinnen und Initiatoren schlecht beraten: „Das Bürgerbegehren wurde bereits in einem ersten Anlauf aus einem anderen Grund für unzulässig erklärt. Damals war von einem Themenausschluss nicht die Rede.“ Wenn ein Bürgerbegehren aber wegen eines Themenausschlusses unzulässig ist, müsse man über die Detailfragen nicht debattieren. „Man muss den Initiatoren gleich sagen, dass das Bürgerbegehren generell nicht zulässig ist.“ Das sei aber nicht geschehen, moniert Schumacher.
Zu großer Negativkatalog: Sind wir dümmer als die Bayern?
Hinter all dem schimmere aber ein grundsätzliches Problem auf: „Kaum ein Bundesland tabuisiert dermaßen viele Themen“, ärgert sich Schumacher. Niedersachsen zählt insbesondere zur Minderheit von nur noch sechs Bundesländern, in denen Bürgerbegehren zur Bauleitplanung noch komplett unzulässig sind. Alle anderen Bundesländer sind bürgerfreundlicher."
In Bayern fällt sogar jedes fünfte Bürgerbegehren in diesen Bereich. „Das zeigt den Stellenwert, den solche Themen für die Bürgerinnen und Bürger haben“, betont Schumacher. „Wenn die Bayern das hinkriegen, warum soll es dann bei uns ‚nicht statthaft‘ sein - um es mal in den Worten des Rechtsbeistands Dr. Thal zu sagen?“, fragt Schumacher. „Wir Niedersachsen sind doch nicht dümmer als die Menschen im Süden der Republik. Und unsere Politiker sind auch nicht gottähnlicher als ihre bayrischen Kollegen.“
Lösung: Das Kommunalverfassungsgesetz entbürokratisieren!
Rechtlich wäre es kein Problem, baubezogene Themen zuzulassen, betont Schumacher. „Es müsste einfach nur eine besonders bürokratisch formulierte Passage aus einem überlangen Paragrafen entfernt werden“. Konkret geht es um den Paragrafen 32 des niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes: Bürgerbegehren über „die Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung von Bauleitplänen und sonstigen Satzungen nach dem Baugesetzbuch (BauGB)" werden dort als unzulässig definiert. Schumacher: „Würde diese Passage per Landtagsbeschluss gestrichen, dann wäre das Problem gelöst.“ Niedersachsen belegt im aktuellen Ranking von Mehr Demokratie einen der hintersten Plätze. Bayern ist auch hier deutscher Meister.