Reform beim Bürgerentscheid kommt.

[02/11] Bremerhaven bleibt weit hinter seinen Möglichkeiten

Bremerhaven. In der Bremerhavener Stadtverordnetenversammlung soll heute nach jahrelangen Beratungen die Reform von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid beschlossen werden. Inhalt der Reform sind eine Senkung des Unterschriftenquorums beim Bürgerbegehren, mehr zulässige Themen, die Einführung einer aufschiebenden Wirkung sowie eine geringfügige Senkung des Zustimmungsquorums beim Bürgerentscheid. Auch einige Detailregeln sollen verbessert werden. So sollen Initiatoren eines zulässigen Bürgerbegehrens Beratungskosten bis zu einer Höhe von 750 Euro von der Stadt erstattet bekommen. Beim Bürgerentscheid wird ein Informationsheft eingeführt. Die Verfassung der Stadt Bremerhaven ist außerdem die vorletzte Kommunalverfassung der Bundesrepublik, aus der der Positivkatalog verschwindet (nur Sachsen-Anhalt hat noch einen Positivkatalog). Positivkataloge legen fest, in welchen Bereichen Bürgerbegehren zulässig sind. Der Anwendungsbereich von Bürgerbegehren wird dadurch stark eingeschränkt.

 

Mehr Demokratie begrüßt diese überfällige Reform. Tim Weber, Landesgeschäftsführer von Mehr Demokratie Bremen/Niedersachsen, erklärt dazu: „Leider werden Bürgerbegehren zu einigen besonders interessanten Fragen auch in Zukunft nicht möglich sein.“ Durch den Negativkatalog seien z.B. Bürgerbegehren zu Privatisierungen und zu Änderungen der Stadtverfassung ausgeschlossen. „Ein Bürgerbegehren zur umstrittenen Frage der Direktwahl des Oberbürgermeisters ist auch in Zukunft nicht möglich“ bedauert Weber. Auch Privatisierungsfragen seien bundesweit regelmäßig Thema von Bürgerbegehren.

 

Auch bei den Hürden für Bürgerentscheide sieht Mehr Demokratie e.V. noch Verbesserungsbedarf. Die Bremerhavener werden beim Bürgerentscheid gegenüber den Bremern benachteiligt. In der Stadt Bremen gilt bei Bürgerentscheiden ein Zustimmungsquorum von 20 Prozent, in Bremerhaven soll es nur von 30 auf 25 Prozent gesenkt werden. In Bremen können zudem Bürgerentscheide mit Wahlen gekoppelt werden, was in Bremerhaven nicht vorgesehen ist. Nochmal Tim Weber: „Diese zaghafte Reform ist auch deshalb nicht akzeptabel, weil in den vergangenen Jahren eine Reihe anderer Bundesländer das Zustimmungsquorum gesenkt haben, zuletzt z.B. Rheinland-Pfalz von 30 auf 20 Prozent.“ Acht Bundesländer haben ein Zustimmungsquorum von 25 Prozent und höher, und acht Bundesländer haben ein Quorum von 20 Prozent und niedriger. „Bremerhaven entscheidet sich leider für unteres Mittelmaß“, bedauert Tim Weber. In Städten ab 100.000 Einwohnern scheitern drei von vier Bürgerentscheiden an einem Zustimmungsquorum von 25 Prozent.

 

In der Stadt Bremen wurden Bürgerbegehren und Bürgerentscheide bereits im September 2009 zusammen mit der landesweiten Volksgesetzgebung reformiert. Die Stadt Bremerhaven hat sich mit der Reform viel Zeit gelassen und eine öffentliche Beratung vermieden. Mehr Demokratie kritisiert die unzureichende Diskussion in Bremerhaven. „Während Bremens Abgeordnete die Vor- und Nachteile einer Reform öffentlich und sorgsam abgewogen haben, scheuen Bremerhavens Stadtverordnete das Licht der Öffentlichkeit“, beurteilt Weber dieses Vorgehen.

 

Der Verein kündigt an, Bürgerbegehren und Bürgerentscheide im Wahlkampf zu thematisieren. Es könne nicht sein, dass den Bürgerinnen und Bürgern Bremerhavens ein wichtiges Recht vorenthalten werde.