Volksbegehrensbericht 2021: Mehr Umweltschutz durch direkte Demokratie - Wenig los in Bremen

[05/22] +++ Direkte Demokratie: große Unterschiede zwischen den Ländern +++ Volksentscheide auf Bundesebene fehlen +++ 

Hinweis: Einordnung zu Bremen am Ende der PM

Direkte Demokratie schiebt den Klimaschutz mit an – das zeigt der aktuelle Volksbegehrensbericht, den der Verein Mehr Demokratie heute (17.03.)  veröffentlicht hat. Bis Ende 2021 zählte der Fachverband in den Ländern insgesamt 71 direktdemokratische Verfahren mit Umweltschutzeffekten. Mehr als die Hälfte (39) dieser Verfahren wurden in den vergangenen zehn Jahren initiiert, was heute schon etwa ein Sechstel aller Verfahren „von unten” ausmacht. „Die Bevölkerung nimmt Klimaschutz in den Kommunen und auf Länderebene immer öfter selbst in die Hand”, sagt Ralf-Uwe Beck, Bundesvorstandssprecher von Mehr Demokratie. „Doch auf Bundesebene, wo die wichtigsten Weichen gestellt werden, bleiben die Bürgerinnen und Bürger außen vor. Es fehlt der  bundesweite Volksentscheid.” Neben den Umwelt- und Klimaschutzthemen, so der Demokratie-Verein, brennen den Menschen auch Sozial- und  Bildungsthemen auf den Nägeln.

Allerdings ist die Zahl der jährlich gestarteten Initiativen mit der Corona-Pandemie zurückgegangen. Waren 2018 und 2019 noch jeweils 17 Initiativen an den Start gegangen, zählt der Fachverband für 2020 zehn, im Jahr 2021 zwölf neue Verfahren.

Die direktdemokratischen Verfahren summieren sich seit der Einführung in den ersten Bundesländern im Jahr 1946 auf insgesamt 433. Davon wurden 393 von den Bürgern, also „von unten“ ausgelöst. Augenfällig sei nach Ansicht von Mehr Demokratie das Gefälle zwischen den Bundesländern: Die lebendigste direktdemokratische Praxis verzeichnet der Bericht für Bayern (61), Hamburg (61) und Brandenburg (56). In die zweite Sammelstufe (Volksbegehren) kamen 101 Verfahren. 25 Mal haben die Bürger direkt über einen Gesetzentwurf abgestimmt (Volksentscheid), dies jedoch in nur sieben Bundesländern. In neun Ländern hat es bisher keinen Volksentscheid gegeben.

„Mehr als ein Viertel der von Bürgerinnen und Bürgern gestarteten Initiativen sind erfolgreich, die meisten, weil sie in parlamentarische Entscheidungen  münden“, so Beck. „Die direkte Demokratie entfaltet ihre politische Wirkung also nicht erst beim Volksentscheid, sondern gibt Parlamenten und Regierungen wichtige Impulse.“ Reformen der direkten Demokratie auf Landesebene würden derzeit in den Landtagen von Thüringen und Sachsen diskutiert. In beiden Ländern gehe es um die Senkung der Hürden für die Unterschriftensammlungen zu Volksbegehren. Zudem gäbe es Bestrebungen, den so genannten Volkseinwand einzuführen, mit dem vom Landtag beschlossene Gesetze per Volksentscheid überprüft werden können.

Ernsthafte, von Parteien ausgehende Initiativen, den bundesweiten Volksentscheid einzuführen, sieht Mehr Demokratie e.V. nicht. „Der Koalitionsvertrag der Ampelregierung sieht zwar vor, die unverbindliche Bürgerbeteiligung auszubauen, vernachlässigt aber sträflich die direkte Demokratie“, beklagt Beck.

+++ Wenig los in Bremen

Bremen gehört zu den neun Bundesländern, in denen es auf Landesebene noch nie einen Volksentscheid aufgrund eines Volksbegehrens gegeben hat (Der Volksentscheid zur Galopprennbahn war ein Volksentscheid in der Stadt Bremen). Das liege trotz eines grundsätzlich guten Gesetzes an der geringen Bekanntheit des Instruments sowie an verbesserungswürdigen Detailregeln, die den Start eines Volksbegehrens zu einer schwer kalkulierbaren Sache machen. Aufgrund der Zustimmungsquoren beim Volksentscheid ist aus Sicht der Initiativen die Zusammenlegung der Abstimmung mit einer Wahl erstrebenswert. Allerdings bieten die gesetzlichen Fristen im Prozess hier keine ausreichende Sicherheit. In anderen Bundesländern (z.B. Hamburg) lässt sich eine Zusammenlegung mit Wahlen viel einfacher anpeilen. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, nicht am Zustimmungsquorum zu scheitern. Bei der Beratung von
Initiativen wird deutlich, dass die Regelungen teilweise als abschreckend empfunden werden. Zwar seien die Regeln deutlich besser als z.B. in Niedersachsen. Aber es gebe weiteres Verbesserungspotential, so Mehr Demokratie. 

So sei die Unterschriftenhürde für den Zulassungsantrag zum Volksbegehren mit 5.000 Unterschriften zu hoch. Hier gehe es nur um den Antrag auf  Volksbegehren und die Prüfung der Zulässigkeit. Dafür reichten auch 2.500 Unterschriften, so Mehr Demokratie. Darüber hinaus sei für Initiativen der Zeitplan kaum kalkulierbar. Hier fordert Mehr Demokratie Verbesserungen. Dann sei wie in Hamburg bei Einreichung der Unterschriften der ersten Stufe klar, wann Volksbegehren und Volksentscheid stattfänden. Für die seit 2018 praktizierte Anrechnung der Unterschriften des Zulassungsantrages auf das Volksbegehren steht zudem eine gesetzliche Klarstellung aus. 

Mehr Demokratie sieht in der Anrechnung der Unterschriften aus der ersten Stufe zwar eine Erleichterung. Allerdings hätte die Trennung der beiden Sammelphasen den Vorteil, dass die Prüfung, ob ein Verfahren überhaupt zulässig ist, frühzeitig stattfindet. „Andernfalls laufen Initiativen Gefahr, alle nötigen 25.000 Unterschriften zu sammeln, um dann zu erfahren, dass ein Volksbegehren zu dem Thema überhaupt nicht möglich ist. Der Frust wäre damit  vorprogrammiert“, so Katrin Tober, Sprecherin für Mehr Demokratie in Bremen. In jedem Fall wäre eine Halbierung der geforderten Unterschriften beim Zulassungsantrag  sinnvoll. „Die Bürgerschaft hat die Hürde beim Bürgerantrag bereits halbiert, das sollte sie analog für den Zulassungsantrag ebenso beschließen“, so Tober weiter. Darüber hinaus sollte die Möglichkeit zur Sammlung in öffentlichen Gebäuden ausgeweitet und die digitale Unterschriftensammmlung als Ergänzung zur freien Sammlung ermöglicht werden. 

Mehr Demokratie lehnt Zustimmungsquoren beim Volksentscheid grundsätzlich ab. Ähnlich wie bei Wahlen sollte die Mehrheit der Abstimmenden entscheiden. Alternativ würde eine weitere Senkung der Zustimmungsquoren beim Volksentscheid eine Erleichterung des Verfahrens bewirken.

Den Volksbegehrensbericht mit zahlreichen Grafiken finden Sie unter:
https://www.mehr-demokratie.de/themen/volksbegehren-in-den-laendern/volksbegehrensbericht-2021

Die Presse-Zusammenfassung sowie die Aufzeichnung der Pressekonferenz
finden Sie unter:
https://www.mehr-demokratie.de/presse/einzelansicht-pms/volksbegehrensbericht-2021-mehr-umweltschutz-durch-direkte-demokratie