Volksgesetzgebung in Niedersachsen – Grüne legen Gesetzentwurf vor

[18/11] Mehr Demokratie e.V.: Reform dringend notwendig

Bremen/Hannover. Der Verein „Mehr Demokratie“ begrüßt, dass die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen heute einen Gesetzentwurf zur Reform von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid in den Landtag einbringt. Kernpunkte des Gesetzentwurfes sind die Senkung der Hürden für die drei genannten Verfahren, die Einführung von Finanz-Transparenzregeln und die Einführung einer Stichfrage für den Fall, dass es zwei Abstimmungen zur gleichen Frage gibt. Der niedersächsische Landesverband von „Mehr Demokratie“ unterstützt die Reformvorschläge, kritisiert aber einige Elemente des Gesetzentwurfes.

 

Der Gesetzentwurf sieht vor, die Unterschriftenhürden für Volksinitiativen und Volksbegehren deutlich abzusenken: bei der Volksinitiative von 70.000 auf 0,5 Prozent der Wahlberechtigten (entspricht ca. 30.000 Unterschriften), beim Volksbegehren von zehn auf fünf Prozent (statt 608.000 nur noch ca. 304.000 Unterschriften). Beim Volksentscheid soll das bisherige Zustimmungsquorum von 25 Prozent ersatzlos gestrichen werden. Tim Weber, Landesgeschäftsführer von Mehr Demokratie Bremen/Niedersachsen unterstützt die Vorschläge: „Die Debatte um mehr Demokratie und Bürgerbeteiligung muss endlich auch in Niedersachsen ankommen. Denn in Niedersachsen herrscht Ebbe in punkto Bürgerbeteiligung. Seit Einführung der direkten Demokratie in Niedersachsen 1993 gab es keinen Volksentscheid. Das darf nicht so bleiben.“ Für den Vorschlag, das Zustimmungsquorum abzuschaffen, findet Weber lobende Worte: „Zustimmungsquoren sind nur schwer zu knacken und fördern Boykottstrategien der Gegner eines Volksbegehrens. Deshalb ist es gut, dass die Grünen sich für die Streichung einsetzen.“

 

Als inkonsequent bewertet der Verein allerdings die Vorschläge zu verfassungsändernden Volksentscheiden. Hier sieht der Entwurf der Grünen nur die Senkung des Zustimmungsquorums von 50 auf 30 Prozent vor. Zusätzlich ist eine bisher nicht vorhandene 2/3-Mehrheit vorgesehen. „Wir haben Verständnis, wenn man die Verfassung schützen will. Dann würde es aber genügen, die Unterschriftenhürde für verfassungsändernde Volksbegehren bei zehn Prozent zu belassen“ erklärt Weber. Die bisherige Praxis in Niedersachsen beweise, dass es nur sehr selten Volksbegehren gebe, die diese Hürden überspringen. Auch über eine Zweidrittel-Mehrheit beim Volksentscheid könne man nachdenken.

 

Der Verein bedauert, dass das bisher umständliche Verfahren beim Volksbegehren nicht zu einem klaren, dreistufigen System wie z.B. in Hamburg, Schleswig-Holstein und Brandenburg umgebaut werden soll. Weber begründet das so: „Ein dreistufiges Verfahren vereinfacht Initiativen die Arbeit. Bisher ist die Dauer eines Volksbegehrens nur schwer kalkulierbar.“ Angesichts der von den Grünen geforderten umfangreichen Transparenzregeln sei dies problematisch, denn das jetzige Verfahren ziehe sich teilweise über drei Kalenderjahre hin. Die dreistufige Volksgesetzgebung biete außerdem mehr Möglichkeiten zum Dialog zwischen Initiative und Parlament. So wird bereits mit 30.000 Stimmen eine Behandlung im Landtag erreicht. Wird das Anliegen abgelehnt, kann sofort zum Volksbegehren übergegangen werden, ohne dass noch ein Zulassungsantrag erforderlich ist.

 

Im 2010 vorgelegten Volksentscheids-Ranking belegte Niedersachsen für die Landesebene Platz 10-11 gemeinsam mit Rheinland-Pfalz. Durch Reformen in anderen Ländern droht Niedersachsen weiter nach hinten zu rutschen. Seit 1993 gab es 9 Anträge auf Volksbegehren, 3 Volksbegehren und 13 Volksinitiativen. Ein Volksentscheid hat noch nie stattgefunden.