20.06.2011

Bremen: Demokratie und Bürgerbeteiligung im Koalitionsvertrag

Von: Dirk Schumacher

In Bremen hat es zwischen 2007 und 2011 zum Teil weitreichende Reformen bei den demokratischen Mitbestimmungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger gegeben. Nachdem schon 2006 durch unser Volksbegehren das Wahlrecht reformiert wurde, folgte eine deutliche Senkung der Hürden bei Volksbegehren und Volksentscheiden, die Einführung der Online-Petition, die Senkung des Wahlalters, ein neues Abgeordnetengesetz und die Reform des Beirätegesetzes, das die Bürgerbeteiligung in den Stadtteilen sicherstellt. Nachdem Rot-Grün bei der Wahl am 22. Mai sogar eine 2/3-Mehrheit erringen konnte, haben sich beide Parteien nun auf einen Koalitionsvertrag geeinigt.

 

Was steht im rot-grünen Koalitionsvertrag zum Thema „Demokratie und Bürgerbeteiligung“?

  • In der Landesverfassung soll verankert werden, dass über die Veräußerung von wesentlichen Teilen der öffentlichen Daseinsvorsorge ein Volksentscheid durchgeführt werden muss.

  • Für Volksbegehren und Bürgeranträge soll geprüft werden, ob eine elektronische Unterzeichnung über das Internet unter Verwendung eines elektronischen Identitätsnachweises erfolgen kann. Die Erfahrungen bei der Einführung der Europäischen Bürgerinitiative sollen dabei genutzt werden.

  • Die Hürden für den Bürgerantrag werden gesenkt: Das Unterschriftenquorum soll „auf deutlich unter 2% der Wahlberechtigten“ gesenkt werden (bisher: ca. 12.000 Unterschriften).

  • Rot-Grün will sich im Bundesrat für die erstmalige Verankerung von bundesweiten Volksbegehren und Volksentscheiden einsetzen.

  • Bürgerbeteiligung soll als Planungsgrundsatz gelten. Bei allen Planungsvorhaben soll regelmäßig und verbindlich geprüft werden, ob und ggf. in welcher Form eine Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an den jeweiligen Planungen stattfinden kann. Dies gilt sowohl auf Stadtteil- als auch auf gesamtstädtischer Ebene. Rot-Grün hat sich die Einführung, Erprobung und Entwicklung von weiteren Bürgerbeteiligungsverfahren auf allen Ebenen zum Ziel gesetzt, die beiden Parteien wollen einen „Prozess zur Entwicklung von Strategien zur Bürgerbeteiligung“ anstoßen. „Bürgerbeteiligung als Planungsgrundsatz“ geht zurück auf eine Online-Petition aus der letzten Wahlperiode.

  • Das Informationsfreiheitsgesetz soll weiter entwickelt und gestärkt werden.

  • Verträge der öffentlichen Daseinsvorsorge sollten im Regelfall veröffentlicht werden.

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    Die oben genannten Punkte bewerten wir uneingeschränkt positiv. Kritisch sehen wir, dass die überfällige Vereinfachung von verfassungsändernden Volksbegehren offenbar nicht angegangen werden soll. Die geplante Verlängerung der Wahlperiode ist in unseren Augen ein Demokratieabbau. Deshalb sollte darüber in einem Volksentscheid abgestimmt werden. Gewünscht hätten wir uns, dass über die Einführung des obligatorischen Finanzreferendums nachgedacht wird.

     

    Koalitionsvertrag

    Der Koalitionsvertrag als PDF (141 Seiten, 460 KB)