Gründlichkeit vor Schnelligkeit

Die Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus hatte gestern zur Diskussion über die Ausgestaltung eines Privatisierungsreferendums eingeladen. Mit auf dem Podium saß auch Michael Efler, Bundesvorstandssprecher von Mehr Demokratie. Er warb für eine Schärfung des Gesetzentwurfes und mehr Druck auf die Volksvertreter von Seiten der Zivilgesellschaft.

Viele deutsche Kommunen und Bundesländer haben in den vergangenen Jahrzehnten vor dem Hintergrund klammer Finanzen öffentliches Eigentum privatisiert. Dagegen hat sich zunehmend Widerstand aus der Bevölkerung geregt. In Berlin markierte dann das erfolgreiche Volksbegehren zum Teilrückkauf der Wasserbetriebe eine Trendwende. Derzeit kämpfen besonders der Energie- und der S-Bahn-Tisch für die Rekommunalisierung von ehemaligem Landesbesitz.

Im Abgeordnetenhaus hat die Linksfraktion im Januar diesen Jahres einen Gesetzentwurf zur Einführung eines Privatisierungsreferendums, eine sogenannte „Privatisierungsbremse“, eingebracht. Er sieht vor, dass die Berlinerinnen und Berliner in einem zwingenden Volksentscheid Privatisierungen zustimmen müssen. Die SPD sprach sich kurz darauf in ihrem Positionspapier „Berlin – Stadt des Aufstiegs“ (<link http: bb.mehr-demokratie.de external-link-new-window>wir berichteten) ebenfalls für ein solches Instrument aus.

Um dieses Vorhaben konkret zu diskutieren, lud die Linkspartei unter dem Titel „Wie sollte eine Privatisierungsbremse für die Berliner Verfassung aussehen?“ zur Podiumsdiskussion ins Berliner Abgeordnetenhaus. Neben Klaus Lederer, rechtspolitischer Sprecher der Linken, und Harald Wolf, Sprecher der Linksfraktion für Energie und Rekommunalisierung, waren SPD-Landesvorstand Jan Stöß, Klaus-Dieter Schwettscher von ver.di Hamburg und unser Bundesvorstandssprecher Michael Efler auf dem Podium vertreten.

Einig waren sich alle Diskutanten in der Frage, warum ein Privatisierungsreferendum kommen muss: Die Erfahrungen habe gezeigt, dass der Verlust von demokratischer Kontrolle über die Daseinsvorsorge und die in vielen Fällen verschlechterten Versorgungsleistungen nicht durch die einmaligen Einnahmen aus der „Verscherbelung des Tafelsilbers“ (Lederer) aufgewogen werden. Die Parteienvertreter gestanden dabei auch Fehler in vergangenen Regierungen ein und stellten die „Privatisierungsbremse“ als Ergebnis eines Lernprozesses dar. Gerade Jan Stöß bekräftigte auch noch einmal die Absicht der Berliner SPD, eine entsprechende Verfassungsänderung bis zum Ende dieser Legislaturperiode durchzusetzen. Den recht vagen Zeitplan begründete Stöß mit dem anstehenden Bundestagswahlkampf, während dem kein Kompromiss mit der CDU zu erzielen sei. Nach dem Motto „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“ plädierte er vor allem dafür, einen handwerklich sauberen Entwurf zu erarbeiten und Schlupflöcher zu stopfen. Dass zwingende Volksentscheide bei Privatisierungen solche Vorhaben in Zukunft bremsen werden, ist offen vorgetragene Absicht der Initiatoren. So wird die Qualität der Bremse dann in erster Linie an ihrer Fähigkeit gemessen werden, Umgehungsstrategien zu verhindern und auch nach Abflauen des Trends zur Rekommunalisierung erneute Privatisierungen „durch die Hintertür“ zu erschweren.

Mehr Demokratie Bundesvorstandssprecher Michael Efler knüpfte an diese Punkte an und machte Verbesserungsvorschläge für einige Schwachstellen des Entwurfs. Insbesondere schlug er vor, den zu schützenden Bereich der Daseinsvorsorge klar zu umreißen, damit beispielweise nicht jede Übertragung einer städtischen Kindertagesstätte in freie Trägerschaft durch einen berlinweiten Volksentscheid abgesegnet werden muss. So führte er aus, dass eine Regelung anwendungsorientierter ist, die obligatorische Referenden für die „großen Fische“ und fakultative Referenden für die restlichen Landesbesitztümer vorsieht. Außerdem sollte der Gesetzentwurf auch per Volksentscheid angenommen werden, wie es in der Berliner Verfassung im Falle von Änderungen direktdemokratischer Regelungen vorgesehen ist. Daran anschließend regte er eine Senkung der Hürden bei der direktdemokratischen Beteiligung der Bürger an. Denn derzeit müssen für einen gültigen Volksentscheid immer noch 25% der Stimmbürger an der Abstimmung teilnehmen, bei Verfassungsänderungen sogar 50%.

Die von Mehr Demokratie gestartete Petition für ein Privatisierungsreferendum wurde von allen Seiten als wichtiges Zeichen aus der Zivilgesellschaft gelobt, das dem Vorhaben im Abgeordnetenhaus mehr Verhandlungsmacht verleiht und den Druck auf Unentschlossene erhöht. Abschließend unterstrich Efler, dass die Verbreitung dieser Petition schließlich auch eine notwendige sachliche Debatte unter den Berlinerinnen und Berlinern auslösen kann, die den langfristigen, nachhaltigen Erfolg einer Privatisierungsbremse sicherstellt.

-> <link https: www.openpetition.de petition online einfuehrung-eines-referendums-bei-privatisierungen-im-bereich-der-oeffentlichen-daseinsvorsorge external-link-new-window>Unterstützen Sie jetzt die Petition von Mehr Demokratie!

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