03.05.2011

Niedersachsen: Demokratiegurke für Salzhemmendorfer Politik?

Von: Dirk Schumacher

Lang hat es gedauert, nun ist es soweit: der erste Bürgerentscheid des Jahres 2011 findet statt! In Salzhemmendorf im Landkreis Hameln-Pyrmont geht es um folgende Abstimmungsfrage:

 

„Im Zentralort Salzhemmendorf wird bis einschließlich des Jahres 2018 keine neue dreizügige Grundschule gebaut. Die bei einem Grundschulneubau zu erwartenden Kosten von 5 Millionen Euro sind dafür nicht auszugeben. Ebenso sind für diese neue Grundschule keine Kosten für Projektentwicklung und/oder Machbarkeitsstudie und/oder Planungskosten wie vom Gemeinderat beabsichtigt in Höhe von 25.000,--€ zu verausgaben.“

 

In Salzhemmendorf stimmen die Bürgerinnen und Bürger also nächste Woche über die Zukunft ihrer Grundschulen ab. Im März waren 1.370 Unterschriften für ein entsprechendes Bürgerbegehren zusammengekommen. Soweit, so gut, Bürgerentscheide über die kommunale Schulpolitik kommen häufiger vor.

 

Der Bürgerentscheid findet allerdings unter Bedingungen statt, die es bisher in Niedersachsen so noch nicht gab. Würden wir wie in unsere Kollegen in Baden-Württemberg, eine Demokratiegurke für die Behinderung direkter Bürgerbeteiligung verleihen, der Salzhemmendorfer Verwaltungsausschuss hätte sie sich redlich verdient.

 

Abgestimmt wird nicht an einem Sonntag in den üblichen Wahllokalen, sondern wochentags in einem zentralen Abstimmungslokal im Rathaus (Öffnungszeiten: Mo und Do von 7.00 bis 18.00 Uhr und Di, Mi, Fr von 9.00 bis 12.30). Briefabstimmung ist nicht möglich, auch eine Benachrichtigung wird nicht verschickt. Das sind Verschlechterungen gegenüber normalen Wahlen, die regelmäßig die Abstimmungsbeteiligung niedrig halten und das Erreichen des 25-Prozent-Zustimmungsquorums erschweren. Die Kombination von fehlender Briefabstimmung und ausschließlicher Abstimmung an Werktagen wird Berufstätigen die Beteiligung zusätzlich erschweren.

 

Aus unserer Sicht entwertet eine solche Praxis jeden Bürgerentscheid, denn es wird vermittelt, dass Bürgerentscheide als nicht so wichtig wie Wahlen anzusehen sind, ein entsprechender Aufwand also nicht nötig und nur störend und zu teuer ist. Tatsächlich handelt es sich aber bei Wahlen wie bei Abstimmungen um wichtige politische Grundrechte der Bürger auf politische Selbstbestimmung, denen eine entsprechende Achtung und Wertschätzung gebührt. Wird ein Bürgerentscheid so durchgeführt wie in Salzhemmendorf, kommt bei den Bürgerinnen und Bürgern an: „Der Bürgerentscheid ist nicht so wichtig“. Wenn eine Abstimmung „so nebenbei“ im Rathaus mitläuft, erhöht das nicht die Aufmerksamkeit.

 

Erschwerend kommt in Salzhemmendorf dazu, dass die Abstimmung sehr kurze Zeit nach Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens stattfindet, es bleibt also recht wenig Zeit, die Bürgerinnen und Bürger zu informieren und zu mobilisieren. Die Abstimmungsbedingungen wurden laut Internetseite der Gemeinde am 21.4. (Gründonnerstag!) festgesetzt. Die Vertretungsberechtigten des Bürgerbegehrens dürften davon erst nach Ostern Kenntnis bekommen haben. Bleiben also nicht einmal zwei Wochen bis zum Beginn der Abstimmung...

 

Ab November wird solchen Abstimmungsbedingungen endlich ein Riegel vorgeschoben: Benachrichtigung, Briefabstimmung, Abstimmung an einem Sonntag sowie Abstimmung in den bekannten Abstimmungsräumen sind dann Pflicht.

 

Weitere Infos:

Abstimmungsinfos der Gemeinde

Faire Abstimmungsregeln (Mehr Demokratie e.V.)