Demokratie macht Schule: Interview mit Udo Elfers

Wie kam es zu Deiner Mitarbeit in unserem Projekt "Demokratie macht Schule"?

Ich wurde vor 5 Jahren auf die Bürgeraktion „Mehr Demokratie“ im Zusammenhang mit der Initiative für ein neues Wahlrecht in Bremen aufmerksam. Da mir die darin vorgesehenen erweiterten Einflussmöglichkeiten für den Wahlbürger als Demokratisierungsfortschritt sofort einleuchteten, beteiligte ich mich spontan als Unterschriftensammler für das Volksbegehren -zunächst im privaten Umkreis und in meiner alten Schule, später hauptsächlich auf öffentlichen Plätzen und Wochenmärkten in verschiedenen Bremer Stadtteilen - und wurde dann auch bald Fördermitglied bei „Mehr Demokratie e.V.“

Meine Teilnahme als aufklärender Starthelfer bei der ersten Anwendung des neuen Wahlrechts in den Vormonaten des Wahltermins war dann natürlich die logische Folge, woraus sich dann mein Einsatz als „Wanderprediger“ beim Projekt „Demokratie macht Schule“ ergab.

 

Ich habe mal nachgezählt: Du hast über 20 Schulklassen besucht. Ziel des Projektes war es, den jungen Menschen das Wählen und die Demokratie näher zu bringen. Wie schätzt Du das ein: ist das gelungen?

Ich kann die Frage nicht ganz eindeutig beantworten. Die Bereitschaft der Schüler/innen, sich auf das Thema einzulassen, war von Schule zu Schule bzw. von Klasse zu Klasse sehr unterschiedlich. Bei unseren Besuchen in den verschiedenen Schulklassen fand ich die volle Bandbreite von Schülerverhalten wieder, wie ich sie aus meiner aktiven Zeit als Deutsch- und Sportlehrer noch gut in Erinnerung habe. Das Interesse und die Mitarbeit hing auch sicherlich ein Stück weit davon ab, inwieweit der Themenkomplex „Politik-Demokratie-Wahlen“ von den Lehrern der betreffenden Klasse schon etwas vorbereitet worden war.

Da wir in einer 90-Minuten-Blockstunde mit meistens verspätetem Unterrichtsbeginn und meistens überzogener 5-Minuten-Pause (das gab es zu meiner Lehrerzeit jedenfalls in diesem Ausmaß noch nicht) ein ziemlich umfängliches Informationspaket unterzubringen hatten, fühlte ich mich meistens unter Zeitdruck, die geplanten wesentlichen Gesichtspunkte unseres Anliegens möglichst vollständig zu übermitteln. Ich bin aber davon überzeugt, dass es uns in dem zur Verfügung stehenden Zeitrahmen weitgehend gelungen ist, den Schüler/innen die vielfältigen Möglichkeiten des Umgangs mit den 5 Stimmen zwischen Listen- und Personenwahl verständlich und praktikabel zu machen.

 

Wie waren die Rückmeldungen der Schülerinnen und Schüler auf die Unterrichtsstunden?

Ob es uns gelungen ist, den jungen Menschen das Wählen und die Demokratie näherzubringen, könnte noch am ehesten die Auswertung der Feedback-Fragebögen zeigen, die wir am Schluss jedes Besuchs haben ausfüllen lassen.

Da diese Rückmeldungen nach dem Einsammeln nun meistens sofort in unserer gelben Materialkiste für den Rücktransport in die Geschäftsstelle landeten, konnte ich mir leider über die Resonanz unserer Anstrengungen bei den Schüler/innen nur stichprobenartig einen eher oberflächlichen Eindruck verschaffen. Ich möchte also mit der Beantwortung der Frage nach dem Erfolg unserer Bemühungen noch die abschließende Gesamtauswertung der Feedback-Fragebögen abwarten.

Meine Erfolgserwartung hoffe ich besonders in der Veröffentlichung der Wahlbeteiligung der Jungwähler bestätigt zu finden. Bei Erreichen einer Jungwähler-Wahlbeteiligung von 60% wäre für mich das Ergebnis als voller Erfolg zu werten, was ich zu einem wesentlichen Anteil auch unserem Einsatz von „Mehr Demokratie“ zugute halten würde.

 

In Bremen wurde ja das Wahlalter auch für die Landtagswahlen auf 16 Jahre gesenkt. Mit den Erfahrungen von „Demokratie macht Schule“ im Hinterkopf: Ist die Entscheidung richtig? In anderen Bundesländern wird gerade diskutiert, das Wahlalter zu senken.

Ich habe eine ambivalente Einstellung zu der Frage, ob es richtig ist, Jugendlichen schon ab 16 Jahren das aktive Wahlrecht zu geben. Einerseits finde ich es richtig zu sagen: Wer Jugendliche stärker an Politik beteiligen will, sollte damit in der Schule anfangen und nicht an der Wahlurne.

Andererseits zeigen die letzten Shell-Jugendstudien, dass bei den jüngeren Jugendlichen das politische Interesse und Selbstbewusstsein in den letzten 10 Jahren immer weiter gestiegen sind. Wenn aber politisch interessierte Jugendliche ohne Wahlrecht von der politischen Willensbildung ausgeschlossen sind, werden sie in die Passivität geradezu hineingedrängt.

Ob den Schüler/innen ihre persönliche Betroffenheit von politischen Entscheidungen in wünschenswertem Maße bewusst ist, (wie das etwa in den zur politischen Stellungnahme herausfordernden Thesen im Wahl-O-Mat zum Ausdruck kommt) ist nach meinen bisherigen Frage-Antwort- Erfahrungen von „Demokratie macht Schule“ eher zu bezweifeln.

Obwohl es hier von Schule zu Schule bzw. von Klasse zu Klasse bemerkenswerte Unterschiede gab, ist doch mein Gesamteindruck, dass der Politikunterricht, wenn er denn überhaupt stattgefunden hat, den Erfordernissen überwiegend nicht genügt.

Insofern haben wir in Bremen mit der Senkung des aktiven Wahlrechts auf 16 Jahre das Pferd eigentlich von hinten aufgezäumt.

Trotzdem finde ich, dass es einen Versuch wert ist, bei Landtagswahlen im kleinsten Bundesland Erfahrungen zu sammeln und daraus Schlussfolgerungen für den Politikunterricht an Bremer Schulen zu ziehen.

 

Wie war es für Dich, Udo, als pensionierter Lehrer mal wieder in die Rolle des Lehrers zu schlüpfen?

Es hat mir großen Spaß gemacht, nach über 7 Jahren Abstand seit meiner Pensionierung mal wieder freiwillig für eine begrenzte Zeit den typischen Schulmuff von tausend Jahren zu schnuppern, der mir nach 14 Schülerjahren (in Klasse 12 einmal sitzen geblieben) und 34 Lehrerjahren an 6 verschiedenen Bremer Schulen noch allzu vertraut ist.

Nebenbei gab es ab und zu die freudige Gelegenheit, eine/n ehemalige/n Kollegen/in im alltäglichen Schulstress wiederzusehen und einmal sogar überraschend auf eine Kollegin zu treffen, die mich (natürlich nur noch an meinem Namen) als denselben wiedererkannte, der damals in den 70-er Jahren vor ungefähr 40 Jahren als Junglehrer mit schulterlangen Haaren ihr Klassenlehrer war.

Die Fragen stellte Dirk Schumacher