Bürgerbegehren in Niedersachsen: Probleme und Lösungen

Das Zustimmungsquorum - Hohe Hürde zum Erfolg

Haben genug Bürger ein Bürgerbegehren mit ihrer Unterschrift unterstützt, ist dieses formell zulässig. Wird es dennoch vom Rat mehrheitlich abgelehnt, kommt es zum Bürgerentscheid. Dieser wird üblicherweise wie eine Wahl durchgeführt.

An der Abstimmung können alle Stimmberechtigten einer Stadt oder Gemeinde teilnehmen. Bei der Abstimmung können Sie die Fragestellung des Bürgerentscheids mit Ja oder Nein beantworten. Dabei entscheidet die Mehrheit über das Ergebnis des Bürgerentscheids.

Es gibt zwei Arten von Abstimmungsquoren, welche die Gültigkeit eines Bürgerentscheids beeinflussen können, das Beteiligungsquorum und das Zustimmungsquorum.

Das Beteiligungsquorum fordert eine bestimmte Mindestbeteiligung von allen Wahlberechtigten. Beispiel: Wird bei einer Abstimmung nicht die vorgeschriebene Mindestbeteiligung von z.B. 15% erreicht, ist das Ergebnis ungültig. Ein Beteiligungsquorum gibt es bei Bürgerentscheiden in den Berliner Bezirken.

Wie funktioniert das Zustimmungsquorum?

Das Zustimmungsquorum dagegen verlangt einen Mindestanteil an Ja-Stimmen. Dieser Mindestanteil der positiven Stimmen ist jedoch auf die Anzahl der Wahlberechtigten bezogen. In Niedersachsen liegt das Zustimmungsquorum bei mindestens 20 Prozent Ja-Stimmen aller Wahlberechtigten.

Das Problem beim Zustimmungsquorum ist, dass es demokratisch zustande gekommene Mehrheiten zu Minderheiten macht. Erste Untersuchungsergebnisse der Forschungsstelle für Bürgerbeteiligung und direkte Demokratie erlauben den Schluss, dass dieses Quorum die Beteiligung bei Bürgerentscheiden im Vergleich mit Abstimmungen ohne Quorum senkt. Grund: Die Gegner eines Bürgerbegehrens setzen auf Strategien wie Ignorieren und Behinderung bei der Abstimmungsteilnahme und mobilisieren ihre Anhänger selbst nicht zur Stimmabgabe beim Bürgerentscheid.

Beispielrechnung

Hat eine Stadt also z. B. 100.000 stimmberechtigte Bürger, müssen mindestens 20.000 von diesen im Bürgerentschied mit "Ja" stimmen. Wird diese Mindestzustimmung nicht erreicht, ist der Bürgerentscheid ungültig. In Niedersachsen scheitern an dem bis 2016 geltenden Abstimmungsquorum von 25 Prozent 35 Prozent der Bürgerentscheide.

Beteiligung bei Bürgerentscheiden oft niedriger

Dass die Beteiligung an Bürgerentscheiden meist niedriger ist als bei Wahlen, liegt in der Natur der Sache. Während es bei Wahlen immer um eine Entscheidung über die Richtung der Gesamtpolitik in den nächsten Jahren geht, geht es bei einem Bürgerentscheid immer nur um das "Ja" oder "Nein" zu einer einzigen Sachfrage. Zur Abstimmungsteilnahme ist deshalb meist nur ein Bruchteil der an einer Wahl Teilnehmenden motiviert. Dies verringert aber nicht die Legitimation des Abstimmungsergebnisses.

Auch bei Wahlen wird eine niedrige Beteiligung zwar bedauert, das Wahlergebnis schließlich aber nicht infrage gestellt. So erhielt die CDU bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt am 26. März 2006 etwa die Stimmen von nur 16 Prozent aller Wahlberechtigten, trotzdem bezweifelte niemand das Recht der Partei, die Landesregierung zu stellen.

Reformen oder: was wir fordern

Mehr Demokratie fordert: Zustimmungsquorum streichen, die Mehrheit entscheidet. Wahlweise kann auch über ein nach Einwohnergröße gestaffeltes Quorum (20/15/10 Prozent, sinkend mit steigender Einwohnergröße) nachgedacht werden. Oder eine Senkung auf 15 Prozent.

Die Reform von 2016, als das Zustimmungsquorum von 25 auf zwanzig Prozent gesenkt wurde, war gut, aber noch nicht ausreichend.

In den vergangenen Jahren hat es eine Reihe von Reformen gegeben, bei denen auch das Zustimmungsquorum gesenkt wurde: Baden-Württemberg 2015, Bremerhaven 2012, Bremen 2009, Schleswig-Holstein 2013, Nordrhein-Westfalen 2011, Rheinland-Pfalz 2010, Thüringen 2009. Niedersachsen sollte hier nachziehen und sich an Bayern, Nordrhein-Westfalen, Thüringen oder Schleswig-Holstein orientieren.

Negativbespiele:

Hameln: Beim Bürgerentscheid über die Sanierung der Fußgängerzone stimmten am 19. April 2009 11.316 Bürger gegen die Sanierung, entsprechend 81,3 Prozent der Abstimmenden. 413 Stimmen (0,88 Prozent der Stimmberechtigten) zu wenig, die Fußgängerzone wurde gegen den Bürgerwillen doch saniert.

Meppen: Beim Bürgerentscheid am 15. Juli 2012 über den Verkauf eines Grundstücks in der Innenstadt stimmten 90,7 Prozent der Abstimmenden gegen den Verkauf. Der Bürgerentscheid war aber nicht gültig, weil diese 90,7 Prozent nur 6871 Stimmen entsprachen und nicht den 6969 erforderlichen Stimmen. Es fehlten als 98 Ja-Stimmen, das entspricht nur 0,35 Prozent der Stimmberechtigten!

Landkreis Osterode: Beim Bürgerentscheid am 2. Dezember 2012 über die Fusion mit dem Landkreis Göttingen stimmten 58,4 Prozent für den Erhalt des Kreises Osterode. Die Fusion wird 2016 trotzdem vollzogen, weil das Zustimmungsquorum nicht erreicht wurde (14.045 Ja-Stimmen statt der erforderlichen 16.446, 2.401 Stimmen fehlten, entsprechend 3,8 Prozent der Stimmberechtigten).

Probleme und Lösungen

Zu einigen Vorschlägen haben wir Texte erstellt, die Probleme mit Hilfe von Beispielen anschaulich machen.

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  • Themenausschlüsse

  • Zustimmungsquorum

  • Obligatorische Bürgerentscheide

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    Sinn oder Unsinn von Abstimmungsquoren

    Dr. Paul Tiefenbach (Bremen) erörtert den Sinn oder Unsinn von Abstimmungsquoren. Aus unserer Reihe "Positionen zur direkten Demokratie"

    Download (PDF, 117 KB, 5 Seiten)