Bürgerräte in Niedersachsen

Losbasierte Beteiligungsverfahren im nord-westlichen Bundesland: ein Überblick

Bürgerräte können viele Namen haben. Mal heißen sie tatsächlich Bürgerrat, mal Bürgerforum, mal Bürger- oder Zukunftsdialog oder ganz klassisch Planungszelle. Vier Dinge sind all diesen Verfahren aber gemein: Die teilnehmenden Bürgerinnen und Bürger werden erstens nach dem Zufallsprinzip ausgelost. Sie verhandeln zweitens ein politisches Thema. Die Beratung findet unter klar definierten Bedingungen statt. Dazu zählen insbesondere eine professionelle und neutrale Moderation und ebensolche Information der teilnehmenden Menschen. Viertens werden inhaltliche Ergebnisse vorgelegt, in der Regel Empfehlungen, oft in Form eines Bürgergutachtens. So empfahl der bundesweite Bürgerrat „Ernährung im Wandel“ unter anderem die Einführung eines kostenlosen Schulessens. Das gesamte Bürgergutachten ist jedoch gut 50 Seiten lang. 

Surftipp: www.buergerrat.de

Viele Informationen zum Thema Bürgerräte enthält die von Mehr Demokratie betriebene Webseite buergerrat.de. Mehr Demokratie und das Institut für Demokratie- und Partizipationsforschung der Universität Wuppertal pflegen eine Datenbank zum Thema Bürgerräte, die Sie hier finden. Erstmals legten die beiden Partner im Jahr 2024 einen Bürgerratsbericht vor mit Daten und Fakten zu Bürgerräten in Deutschland.

Die Zusammenfassung: Seit Beginn der Zwanziger-Jahre ist die Zahl der Bürgerräte auch in Deutschland explodiert. Fanden in den Zehner-Jahren durchschnittlich sechs Bürgerräte in Deutschland statt, waren es in den Jahren 2020 bis 2023 fast 30 pro Jahr. 80 Prozent davon finden auf kommunaler Ebene statt.

Die meisten Bürgerräte gab es in Baden-Würrtemberg, Nordrhein-Westfalen und Bayern. Niedersachsen bewegt sich Mittelfeld – zusammen mit  Berlin, Brandenburg, Sachsen und Hessen. Hier fanden bisher 17 Bürgerräte statt. 

Göttingen und Lüneburg mit je zwei Bürgerräten

Deutscher Beteiligungsmeister ist Berlin mit 27 Bürgerräten. Dann folgen  die Städte Bochum und Münster mit jeweils sechs Bürgerräten bisher, gefolgt von München mit fünf Bürgerräten auf Platz 3. In Niedersachsen liegen Göttingen und Ottersberg vorne mit jeweils zwei Bürgerräten.

Bald wird Lüneburg aufholen: Die Stadt will den ersten permanenten Bürgerrat in Niedersachsen etablieren, zugleich wird das erst der zweite permanente Bürgerrat bundesweit nach jenem in Aachen sein. In der rechten Spalte finden Sie eine Liste: Das tat, tut und wird sich tun in Niedersachsens Kommunen.

Mehr Demokratie hat einen Leitfaden für die Organisation kommunaler Bürgerräte erstellt, denn Sie hier lesen können.

Der Koalitionsvertrag von SPD und Grünen in Niedersachsen sieht explizit die Nutzung von Bürgerräten zu „ausgewählten Themen“ vor. Doch einen landesweiten Bürgerrat gab es bisher nicht in Niedersachsen, wohl aber in anderen Bundesländern.

So fanden Bürgerräte zu Coronamaßnahmen in  Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen statt.  Auf Bundesebene gab es bisher einen vom Bundestag eingesetzten Bürgerrat („Ernährung im Wandel“), der im letzten Jahr abgehalten wurde. Daneben gab es rund zehn von Ministerien oder privaten Akteuren organisierte bundesweite Bürgerräte. So organisierte Mehr Demokratie bundesweite Bürgerräte zu den Themen Klima, Demokratie-Entwicklung sowie Deutschlands Rolle in der Welt. Weltweit spricht man von einer „deliberative Wave“, einer Welle der Bürgerbeteiligung. Überblick über alle bisherigen Bürgerräte finden Sie hier: Kommunal, Landesebene, Bundesebene, in der EU und weltweit