Die Mehrheit reicht nicht

[12/08] Erstes Quorumsopfer 2008: der Bürgerentscheid in Holzminden

Bremen/Holzminden. Zum wiederholten Male haben die Bürgerinnen und Bürger in Holzminden gegen die Pläne des Stadtrats zur Privatisierung der Stadtwerke gestimmt. 88,3 Prozent der Abstimmenden votierten im Sinne der Initiatoren des Bürgerbegehrens für den Erhalt der Stadtwerke in kommunaler Hand (entspricht 4003 Ja-Stimmen). Dagegen sprachen sich 11,7 Prozent aus (entspricht 529 Nein-Stimmen). Die Beteiligung lag bei 27,1 Prozent. Der Bürgerentscheid ist ungültig, die Privatisierungspläne könnten weiterbetrieben werden. Wie das sein kann, erklärt ein Blick in die Niedersächsische Gemeindeordnung.

 

Im Gegensatz zu Wahlen entscheidet beim Bürgerentscheid nicht generell die Mehrheit der Stimmen. Gültig ist ein Bürgerentscheid nur, wenn neben der Mehrheit der Abstimmenden gleichzeitig mindestens 25 Prozent aller Stimmberechtigten zustimmen. In Holzminden machten 23,9 Prozent aller Stimmberechtigten ihr JA-Kreuz gegen die geplante Privatisierung. 176 Stimmen zu wenig.

 

Zur gleichen Frage fand bereits im Jahre 2005 ein Bürgerentscheid statt. Schon damals stimmte an der Urne eine eindeutige Mehrheit von 87 Prozent gegen die Privatisierungspläne. Der Bürgerentscheid war gültig, weil neben der Mehrheit gleichzeitig 48,8 Prozent der Stimmberechtigten mit "Ja" stimmten und das Zustimmungsquorum erreicht wurde. 2005 beteiligten sich 58,1 Prozent an der Abstimmung. Damals fand der Bürgerentscheid zusammen mit der Bundestagswahl statt. Die Zusammenlegung mit einer Wahl erhöht erfahrungsgemäß die Beteiligung an der Abstimmung und damit auch die Erfolgsaussichten. Der Stadtrat hatte noch vor Ablauf der zweijährigen Bindungsfrist des letzten Bürgerentscheids erneut Prüfaufträge zur Privatisierung der Stadtwerke beschlossen. Aufgrund befürchteter Preiserhöhungen haben die Gegner dieses Vorhabens das zweite Bürgerbegehren gestartet.

 

„Die Abstimmung hat zum wiederholten Male den eindeutigen Willen der Bürgerinnen und Bürger demonstriert. Es wird Zeit, dass dieser Wille jetzt auch ernst genommen wird“, so Tim Weber von Mehr Demokratie. Läge Holzminden in Bayern, Nordrhein-Westfalen oder Schleswig-Holstein wäre das Ergebnis aufgrund der niedrigeren Zustimmungsquoren gültig gewesen.

 

Der Verein fordert daher eine umfassende Reform der Niedersächsischen Gemeindeordnung. 35,1 Prozent aller Bürgerentscheide in Niedersachsen sind bereits am Zustimmungsquorum gescheitert. Die Streichung bzw. Senkung der Quoren bleibt jedoch nicht die einzige Forderung. Nach dem Vorbild in Nordrhein-Westfalen sollte eine landesweit verbindliche Durchführungsverordnung für den Ablauf von Bürgerentscheiden erlassen werden. Fragen zur Anzahl und Öffnungszeiten der Wahllokale, Möglichkeit der Briefwahl oder der Benachrichtigungskarte könnte hiermit verbindlich geregelt werden. Der Verein kritisiert, dass in Holzminden auf eine Benachrichtigungskarte verzichtet wurde. Des Weiteren waren die Wahllokale nicht zu den bei Wahlen üblichen Zeiten geöffnet. „Was bei Wahlen als selbstverständlich gilt, wird bei Bürgerentscheiden gerne missachtet“, so Weber weiter.