In Göttingen hat die Initiative Göttingen Zero seit Anfang September gleichzeitig für zwei miteinander verknüpfte Bürgerbegehren Unterschriften gesammelt. Heute wurden die Unterschriften eingereicht. „Zwei Bürgerbegehren auf einmal: Das ist bemerkenswert. Etwas Vergleichbares gab es bisher noch nie in Niedersachsen“, sagt Dirk Schumacher, niedersächsischer Landessprecher des Vereins Mehr Demokratie, der umfassende Statistiken zur direkten Demokratie in Kommunen und Bundesland führt.
Schumacher hofft, dass die Auszählung schneller erfolgt als beim Klimabürgerbegehren im Jahr 2021. Damals dauerte die Auszählung der Unterschriften ungewöhnlich lange, was Kritik auf den Plan rief. „Vielleicht hat die Verwaltung ja dazugelernt.“ Für wünschenswert hält Mehr Demokratie, dass Unterschriften schon während der Sammelfrist zur Prüfung an die Verwaltung gegeben können. „Da würde den Zeitdruck nach Einreichung der Unterschriften ein wenig mindern“, so Schumacher. In Einzelfällen sei das auch schon passiert, hier müsste aber der Landtag als Gesetzgeber tätig werden und für Rechtssicherheit sorgen.
Arbeitsentlastung durch digitale Unterschriften
Schumacher hat eine weitere Vereinfachung parat: „Bei mehreren tausend Unterschriften nimmt die Prüfung einfach zu viel Arbeitszeit in Anspruch. Jede einzelne Unterschrift wird mit jener im Melderegister hinterlegten abgeglichen“, so Schumacher. In Zukunft sollte die „Unterschrift“ per Smartphone-App möglich sein. Die Überprüfung der Gültigkeit und Zählung könne dann automatisiert erfolgen. „Das erspart der Verwaltung und der Bürgerintitiative viel Arbeit und es ist auch viel bürgerfreundlicher und bequemer“, so Schumacher.
Jetzt die Abstimmungsbroschüre in Angriff nehmen
Sollte es nach der Überprüfung der Unterschriften zu einem Bürgerentscheid kommen, sollte die Stadt eine Abstimmungsbroschüre erstellen. „Das Heft müsste die alternativen Positionen mit den wichtigsten Pro- und Contra-Argumenten aufführen. Auch im Stadtrat wird schließlich immer eine ordentliche Beschlussvorlage nebst Begründung verschickt." Jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, das Heft in Angriff zu nehmen. Bei zwei Bürgerentscheiden in anderen niedersächsischen Städten wurden dieses Jahr bereits Abstimmungshefte verschickt.
Damit wirklich alle Generationen angesprochen werden, sollte das Abstimmungsheft in gedruckter Form an alle Wahlberechtigten verschickt werden, zugleich aber auch online abrufbar sein. Ja, das koste ein wenig Geld, räumt Schumacher ein. „Aber politische Fehlentscheidungen sind meist deutlich teurer als ein Druckerzeugnis, das pro Person in etwa halb so viel kostet wie ein belegtes Brötchen."
Sechs Bürgerbegehren, bisher kein Bürgerentscheid in Göttingen
Die beiden Bürgerbegehren sind die Nummern fünf und sechs in Göttingen. Nur ein Bürgerbegehren schafft es zuvor, überhaupt Unterschriften einzureichen. Das eröffnete den Weg für politische Verhandlungen, die in einem Kompromiss mündeten (neee, der Rat es einfach übernommen und irgnoriert es jetzt). Einen Bürgerentscheid gab es noch nie.
Göttingen auf Platz zwei im Großstädte-Vergleich
So sieht es in den großen Städten Niedersachsens aus: Sieben Bürgerbegehren gab es in Osnabrück, sechs in Göttingen, vier in Braunschweig, drei in Oldenburg, zwei in Hildesheim und eines in Hannover. Nur dreimal kam es zum Bürgerentscheid: je einmal in Oldenburg, Osnabrück und Hildesheim. Zwei der Bürgerentscheide fanden bereits in den 1990ern statt. Das deutet lautet Mehr Demokratie auf zu zu hohe Unterschriftenhürden und zu viele Themenausschlüsse hin.
Radentscheide: Kleiner Boom auch in Niedersachsen
Radentscheide sind in den letzten Jahren bundesweit ein Treiber der direkten Demokratie in den Kommunen. In Niedersachsen gab es bisher in vier Städten Bürgerbegehren zum Thema Radverkehr. Zweimal wurden die Begehren vom Rat übernommen. Einen Bürgerentscheid gab es zu diesem Themenbereich in Niedersachsen noch nie.
Liste aktuelle Bürgerbegehren:
https://bremen-nds.mehr-demokratie.de/niedersachsen/buergerbegehren/bilanz/buergerbegehren-aktuell