Wenn der Bürger im Weg steht

Eine Enquete-Kommission des niedersächsischen Landtags empfiehlt, Bürgerbegehren zu Krankenhäusern zu verunmöglichen. Der Bürger erscheint der Kommission schlicht als Hindernis für die politische Steuerung. Befürchtet die Politik eine Welle von Bürgerbegehren gegen Krankenhausschließungen?

Dirk Schumacher, Landessprecher von Mehr Demokratie in Niedersachsen

Krankenhausschließungen sind ein heiß debattiertes Thema. In Niedersachsen kursierten in den vergangenen Jahren Vorschläge, im Extremfall fünf von sechs Kliniken zu schließen. Eine zweistellige Zahl an Kliniken wurde bereits stillgelegt. Was die einen nüchtern „Konzentrationsprozess“ nennen und im Namen der „Wirtschaftlichkeit“ begrüßen und die anderen als „Krankenhaussterben“ kritisieren, birgt  ein enormes Konfliktpotenzial.

Eine Welle von Bürgerentscheiden gegen Krankenhausschließungen ist nicht unrealistisch. Das Konfliktpotenzial hat auch die Landtags-Enquete-Kommission „Sicherstellung der ambulanten und stationären medizinischen Versorgung in Niedersachsen“ verstanden. Die einflussreiche Arbeitsgruppe aus Abgeordneten und Experten empfiehlt in ihrem Abschlussbericht (Landtags-Drucksache 18/8650)  eine „Standortplanung, die ... nicht an bestehenden Standorten ausgerichtet ist“.  Das klingt nach weiteren Klinikschließungen.

„Mangelnde Steuerbarkeit“ durch „Einflussnahmen der Bürgerinnen und Bürger“

Doch offenbar befürchtet die Kommission dabei Widerstände der Bürgerinnen und Bürger. Unter der Kapitelüberschrift „Mangelnde Steuerbarkeit der Krankenhausversorgung“ schreibt die Kommission: „Darüber hinaus kommt es häufig zu Einflussnahmen der Bürgerinnen und Bürger auf die Politik und Krankenhausplanung, wenn bei möglichen Schließungen eines Krankenhauses die Perspektive einer langfristigen strategischen landesweiten Versorgungsplanung auf entgegenstehende Wünsche und Bedürfnisse der Menschen vor Ort nach dem Erhalt einer wohnortnahen stationären Versorgung rund um die Uhr trifft.“ 

Die Kommission empfiehlt zudem an anderer Stelle „gezielte Maßnahmen der Patientensteuerung“ . Krankenhausplanung will sie von Bürgerbegehren ausgeschlossen sehen.

Laut Kommission behindern die Bürger die politische Steuerung und müssen gesteuert werden. Bei solch einem Menschenbild es natürlich logisch, den Einfluss der Bürger beschneiden zu wollen. Damit liegt die Enquete ganz auf Linie der Landesregierung – oder ist es umgekehrt?

Wenn die Bürgerinnen und Bürger im Heidekreis am 18. April darüber abstimmen, ob ihr neues Krankenhaus in Bad Fallingbostel oder in Dorfmark entstehen soll, dann könnte sich dieser Bürgerentscheid als ein historischer erweisen: als der allerletzte Bürgerentscheid über einen Klinikstandort in Niedersachsen.

Es ist zum Aus-der-Haut-Fahren: 2020 war ein Rekordjahr für die direkte Demokratie bei uns Niedersachsen. Die Bürgerinnen und Bürger rufen: Wir wollen mitbestimmen! Doch statt Hürden abzubauen, will die Politik weitere Mauern errichten.

Dirk Schumacher, Landessprecher Mehr Demokratie e.V. für Niedersachsen