Diese Machtfrage wird in Großbritannien am 5. Mai 2011 das Stimmvolk selbst beantworten. Denn die Britinnen und Briten können in einem landesweiten Referendum über ein neues Wahlrecht abstimmen. Das verkündete heute der britische Vize-Premier Nick Clegg. Dessen Partei, die Liberaldemokraten, hatten den zur Abstimmung vorliegenden Vorschlag für ein neues Wahlrecht ausgearbeitet.
Das neue Verfahren „Alternative Vote“ soll das alte Mehrheitswahlrecht ablösen. Das ist zunächst einmal zu begrüßen. Denn mit dem neuen Verfahren soll auch die Präferenzwahl eingeführt werden. Wählerinnen und Wähler haben also die Möglichkeit, die Kandidaten auf der Wahlliste je nach Präferenz durchzunummerieren. Damit können sie ihrem Willen genauer als vorher Ausdruck verleihen.
Und das taktische Wähler der chancenreichsten Kandidaten dürfte abnehmen. Denn mit „Alternative Vote“ können Wähler ihre Stimme ohne Bedenken dem bevorzugten Kandidaten geben. Gewinnt der den Wahlkreis nicht, können auch die restlichen, durchnummerierten Kandidaten zum Zuge kommen. Insofern ist „Alternative Vote“ ein Fortschritt.
Das neue Verfahren hat jedoch auch ein entscheidendes Manko: Genau wie beim alten Mehrheitswahlrecht bleibt die Vormachtstellung großer Parteien erhalten. Denn auch bei „Alternative Vote“ müssen Kandidaten ihren Wahlkreis mit 50 Prozent der Stimmen gewinnen. Das ist für kleine Parteien kaum zu schaffen. Das Wahlergebnis wird also weiterhin zugunsten der großen Parteien verzerrt.
Immerhin dürfen die Briten über das neue Wahlrecht abstimmen. Besser wäre jedoch ein Initiativrecht, dass es den Bürgerinnen und Bürgern erlaubt, selbst Vorschläge zum Wahlrecht zu machen, die dann vom Volk beschlossen werden können. Das fordern wir auch für Deutschland. Mit der Einführung bundesweiter Volksabstimmungen wäre nämlich auch ein Volksentscheid über ein neues Wahlrecht möglich. Und die Wahlrechtsreform ist hierzulande überfällig. 2008 erklärte das Bundesverfassungsgericht das Bundestagswahlrecht in Teilen für verfassungswidrig. Auch Bundespräsident Wulff sprach sich – wie seine vier Vorgänger – für eine Reform des Wahlrechts aus.