Volksentscheids-Ranking vorgestellt: Niedersachsen fällt zurück

[21/10] Reformunwilligkeit hat Auswirkungen

Bremen. Mehr Demokratie e.V. hat heute das dritte bundesweite Volksentscheids-Ranking veröffentlicht. In dem Ranking-Bericht, der 2003 zum ersten Mal erstellt wurde, vergleicht der Verein die Regelungen für direkte Demokratie auf Kommunal- und Landesebene. Auf einer Pressekonferenz in Bremen hat Tim Weber, Landesgeschäftsführer des Vereins in Bremen und Niedersachsen, heute die Ergebnisse des Berichts vorgestellt. Ein Schwerpunkt lag dabei auf diesen beiden Bundesländern. Weber ging auf Veränderungen ein, die sich im Vergleich zum Volksentscheids-Ranking 2007 durch Reformen in einer Reihe von Bundesländern ergeben haben: Bremen hat aufgeholt, während Niedersachsen durch seine Reformunwilligkeit im Ranking zurückgefallen ist.

 

Zu den Gewinnern des Rankings gehören Thüringen, Rheinland-Pfalz und Bremen. Diese Länder konnten durch ihre Reformen auf Kommunal- bzw. Landesebene einen deutlichen Sprung nach vorn machen. Niedersachsen dagegen ist von Platz 8 auf Platz 12-13 zurückgefallen und zählt damit zu den Verlierern: mehr Plätze hat kein anderes Bundesland eingebüßt. Die Gesamtnote beträgt 4,3, für die Landesebene wurde eine 4,1 vergeben, auf Kommunalebene gibt es eine 4,5, was der Schulnote „mangelhaft“ entspricht. Ursache dafür ist die Reformunwilligkeit des niedersächsischen Landtages. Im Vergleich zum letzten Ranking haben sich zudem einige Faktoren, wie die fehlende aufschiebende Wirkung bei Bürgerbegehren und unfaire Bedingungen bei Bürgerentscheiden, in der Praxis als schwerwiegender herausgestellt als bisher angenommen. Dadurch hat sich die niedersächsische Note noch weiter verschlechtert. Tim Weber wünscht sich Reformen: „Es bestünde die Möglichkeit, bei der neuen Kommunalverfassung Bürgerbegehren und Bürgerentscheid zu verbessern. Unsere Vorschläge dazu liegen auf dem Tisch.“

 

Momentan stehen sechs weitere Reformen auf der Tagesordnung: im Saarland auf Kommunal- und Landesebene, in Brandenburg und in Bremerhaven auf Kommunalebene, in Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg auf Landesebene. Da der Reformwille ungebrochen ist, droht Niedersachsen durch den Verzicht auf Reformen beim nächsten Ranking zum Schlußlicht zu werden. „Die Partizipationschancen der niedersächsischen Bürgerinnen und Bürger sind deutlich schlechter als z.B. die der Bayern und Thüringer. Niedersachsen läuft bald dem Rest der Republik mit der roten Laterne hinterher“ kommentiert Weber die Lage in Niedersachsen. Die schlechte Note Niedersachsens hat auch den Gesamtdurchschnitt aller Bundesländer auf 3,7 gedrückt. „Wer bei der direkten Mitwirkung der Bürger mit einer schlechten 4 zufrieden ist, braucht sich nicht zu wundern, wenn die Bürger sich als Zuschauer fühlen“ erklärt Weber weiter.

 

Seit 1989 hat sich in den Bundesländern eine rege direktdemokratische Praxis entwickelt. Damals gab es auf Landesebene nur in sieben Ländern und auf kommunaler Ebene nur in einem Bundesland direktdemokratische Instrumente für die Bürger. Mittlerweile wurden Bürger- und Volksbegehren überall eingeführt. Ein Blick auf die Zahlen verdeutlicht dies: bundesweit fanden bisher 242 direktdemokratische Verfahren statt, ein Großteil davon (210) wurde seit 1990 eingeleitet. Es fanden rund 4440 Bürgerbegehren und 2400 Bürgerentscheide statt. Unter den Spitzenreitern des Volksentscheids-Rankings finden sich mit Hamburg und Bayern Bundesländer, deren Bürgerbegehrens-Regeln durch Volksentscheide eingeführt und im Fall von Thüringen durch ein Volksbegehren wesentlich reformiert wurden. Nur in Berlin geschah dies auf parlamentarischem Weg. Die erfreulich zahlreiche Praxis erscheint in einem anderen Licht, wenn man den Blick auf einzelne Bundesländer richtet. Die Länder mit den bürgerfreundlichsten Regelungen weisen auch die meisten direktdemokratischen Verfahren auf, wie ein Blick auf die Zahlen zeigt: in Bayern wurden in 43 Fällen Volksbegehren eingeleitet, während es in Niedersachsen nur neun Initiativen gab. Auch bei Bürgerbegehren relativiert sich die Zahl: in Niedersachsen 212 Fälle, in Bayern dagegen 1759. Bürgerentscheide gab es in Niedersachsen 69, in Bayern 995.

 

Mehr Demokratie e.V. veröffentlicht regelmäßig Volks- und Bürgerbegehrens-Berichte sowie das Volksentscheids-Ranking. Als nächstes wird im Frühjahr 2011 der jährliche Volksbegehrens-Bericht veröffentlicht.